Archiv für den Monat Dezember 2012

Weihnachtliche Konjunktion von Mond und Jupiter

Drei Sternfreunde des Köln-Bonner-Astrotreffs (KBA) haben die schöne weihnachtliche Konjunktion von Mond und Jupiter am ersten Weihnachtsfeiertag festgehalten. Die Fotos von Rolf Hempel (Bild 1 und 2) zeigen deutlich den Jupiter als Scheibchen und einige seiner Monde. Meine kurz vor 22:00 MEZ gemachte Aufnahme (Bild 3) zeigt mit dem 20x-Zoom der TZ31 ebenfalls das Jupiterscheibchen, allerdings war die Belichtung auf den Mond ausgerichtet, weshalb der Riesenplanet in der linken oberen Ecke nur sehr schwach sichtbar ist, und wenige Minuten später zogen schon wieder Hochnebel und Regenwolken auf. Einen größeren Himmelsausschnitt zeigt Daniel Fischers Foto (Bild 4), auf dem neben (überbelichteten) Mond und Jupiter mit Monden auch das Siebengestirn M 45 sowie Aldebaran und die hellsten Sterne des Hyaden-Haufens – darunter auch der Asterismus „Mirror Moth“ – zu sehen sind. Weitere Konjunktionsbilder von ihm gibt es hier in seinem Blog. [Nico Schmidt]

Der Schatz von Karl Friedrich Küstner

Während andere am 21. Dezember den Nicht-Weltuntergang gefeiert haben – etwa bei einer ausverkauften Show im Planetarium Bochum -, war ich bei dem Vortrag “15000 Himmelsaufnahmen – der Schatz der Erben Argelanders” aus der Bonner-Sternenhimmel-Reihe (Termine unten links), die regelmäßig im Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) stattfindet. Im weihnachtlich geschmückten Hörsaal des Instituts zeigte Andreas Maul von der Volkssternwarte Bonn (VSB) zu Beginn mit einer alten drehbaren Sternkarte am Overhead-Projektor den aktuellen Winterhimmel. Danach übernahm der Bonner Astronom Michael Geffert, der von der Eigenbewegung der Sterne und der langen Tradition der Positionsastronomie, die in Bonn vor 175 Jahren mit Argelanders Ruf in die junge Universitätsstadt begann und bis heute in Form von Schülerpraktika zu finden ist, berichtete. Hauptsächlich ging es in dem Vortrag um Karl Friedrich Küstner, der nach Schönfelds Tod 1891 neuer Direktor der Bonner Sternwarte wurde. 1882 war Küstner (im Bild vordere Reihe ganz rechts) sogar als Leiter der deutschen Venustransit-Expedition dabei, die die Astronomen ins kalte Punta Arenas an der Magellanstraße zwischen Chile und Feuerland führte.

Küstner brachte die Astrofotografie an die Bonner Sternwarte und veranlasste gleich die Anschaffung eines entsprechenden Instruments. Wegen der Größe des 1899 gebauten Doppelrefraktors musste neben Argelanders alter Sternwarte in Poppelsdorf ein separater Kuppelbau errichtet werden. Mit 2 etwa 30 Zentimeter großen Linsen und mit über 5 Metern Brennweite war es das größte Fernrohr in Bonn – bis es 1965 in der Eifel im Observatorium Hoher List (OHL) aufgestellt wurde und nach der Schließung im letzten Sommer immer noch dort steht.

Die Abbildung zeigt das ehemalige Kuppelgebäude des großen Doppelrefraktors, in das die Sternfreunde der Volkssternwarte Bonn (VSB) in den 70er Jahren eingezogen sind.

Küstners Vermächtnis, das für den Referenten sogar ein „richtiger Schatz“ ist, ist das 15.000 Fotografien umfassende Plattenarchiv, das vor 100 Jahren hier in Bonn entstand. Sorgfältig wurde alles dokumentiert und auf vielen der 16x16cm-Fotoplatten schrieb der Astronom sogar seinen Namen oder die Initialen, …

… so auch auf seinen Mondbildern, die man hier auf Youtube sehen kann.

Über den Museumswert hinaus besitzen die am Bonner Doppelrefraktor entstandenen historischen Himmelsaufnahmen tatsächlich noch wissenschaftlichen Nutzen, wie ein Beispiel darstellen sollte.

Nebenbei wurden aber auch andere neuere Funde aus den Weiten des Institutsarchivs gezeigt. Damit sind Julius Schmidts Beobachtungstagebücher gemeint, die vermutlich die einzige Darstellung des Kometen Colla (C/1845 L1) enthalten – die auch kürzlich im Poppelsdorfer Schloss ausgestellt war. Schmidt hatte den Schweifstern Anfang Juni 1845 unabhängig vom italienischen Kometenbeobachter Antonio Colla entdeckt. Ein Jahr später verließ Schmidt die Sternwarte in Düsseldorf-Bilk und kam an Argelanders Sternwarte, an der er 7 Jahre blieb.

In der anschließenden Fragerunde war ein neugieriger und an Astronomie interessierter Drittklässler, der schon während des Vortrags Fragen parat hatte, fast nicht bremsen und wollte u.a. noch mehr zu den Geffert-Kleinplaneten wissen.

Danach konnte man sich einen kleinen Teil des astronomischen Schatzes unter der Lupe ansehen, denn auf einem Leuchtkasten konnte man sich eine Vergleichsaufnahme (links) neben einer von Karl Friedrich Küstner vor etwa 100 Jahren belichteten 16x16cm-Fotoplatte (rechts) des Kugelsternhaufens M 15 genauer ansehen. Und für die zum Vortrag eingeladenen Schüler gab es noch Informationen zum bevorstehenden Praktikum, in dem sich mit dem Thema der Eigenbewegung anhand der historischen Aufnahmen beschäftigt wird. [Nico Schmidt]

Interaktive Mars-Wanderausstellung nähert sich dem Bonner-Sterne-Land

Der Werbespruch „Mars macht mobil“ könnte ebenso als simples Motto für die Wanderausstellung „Mars – Vision und Mission“ (Bilderstrecke), die seit Ende April 2012 durch Deutschland tourt, durchgehen. Nachdem die vom marktführenden Shopping-Center-Betreiber ECE aus Hamburg zusammen mit der europäischen Weltraumagentur ESA sowie DLR, EADS, Mars Society Deutschland und anderen Forschungseinrichtungen veranstaltete Mars-Ausstellung bereits in sieben Städten wie Potsdam, Leipzig und Karlsruhe zu sehen war, wird sie im Sommer 2013 auch nahe des Bonner-Sterne-Landes gastieren. Vom 01. bis 10. August 2013 ist sie im Löhr-Center in Koblenz zu sehen und kann vom 12. bis 21. September 2013 im RheinRuhrZentrum zwischen Essen und Mühlheim an der Ruhr besucht werden. Danach ist die Ausstellung in unserer Region außerdem noch einmal Ende März 2014 in Leverkusen und als letzte Station Anfang Oktober 2015 in Essen zu sehen; alle Termine lassen sich hier ganz unten nachlesen. Dann wird die Mars-Ausstellung in 3 ½ Jahren durch insgesamt 25 Städte getourt sein.

Doch bis dahin wird die Ausstellung, mit deren untypischen Realisierung für große Einkaufszentren sich sogar eine Masterarbeit beschäftigt, noch durch viele Shopping-Center in Deutschland wandern. „Mars – Vision und Mission“ ist unterteilt in 5 Themenbereiche, die sich dem Mythos des Roten Planeten und seiner modernen Erforschung widmen und außerdem einen Blick in die Zukunft zu bemannten Marsflügen wagen. Junge Marsforscher und Raumfahrer können besonders im Bereich „Mars for Kids“ aktiv werden. Für Kinder von 4 bis 10 Jahren werden hier 4 Module quasi zum fliegenden Klassenzimmer, wobei die kleinen „Marsonauten“ u.a. mit entsprechendem Werkzeug die Geologie untersuchen und das Material anschließend auch unter die Lupe nehmen können. Nähere Informationen zu den 5 Ausstellungsbereichen finden sich hier. [Nico Schmidt. NACHTRAG: Die für August und September 2013 geplanten Ausstellungen wurden leider auf unbestimmte Zeit verschoben]

ESA.int / beier+wellach projekte

Nächsten März: Gedenk-Kolloquium für Hilmar Duerbeck in Bonn

hilmar

Prof. Dr. Hilmar Duerbeck, der am 5. Januar 2012 plötzlich verstarb, war ein international bekannter Wissenschaftler, den viele Kollegen für sein umfassendes Wissen und seine Hilfsbereitschaft schätzten. Er publizierte auf verschiedenen Gebieten der Astrophysik und der Astronomiegeschichte, war Mitherausgeber von Zeitschriften und Büchern. Ein Kolloquium zu seinem Gedenken am Samstag, dem 9. März 2013, im Argelander-Institut für Astronomie in Bonn soll zugleich an Waltraud C. Seitter (1930-2007) erinnern, die Ehefrau und Kollegin von Hilmar Duerbeck, Direktorin des Astronomischen Instituts in Münster von 1975 bis 1995. Die Vorträge werden das Wirken von Hilmar Duerbeck an seinen wichtigsten Wirkungsstätten beleuchten; das detaillierte Programm des Kolloquiums wird im Januar 2013 veröffentlicht. Informationen, auch zur erbetenen Anmeldung, gibt’s hier! Das Bild zeigt Hilmar auf dem Fort der nordnorwenischen Stadt Vardø: Er hatte es und andere (astronomiegeschichtliche) wenige Wochen vor seinem Tod für den 2. Autor eingescannt, der das Material für die Vorbereitung einer Reise dorthin verwendete. [Wolfgang Dick & Daniel Fischer. NACHTRAG: Kurz-Biografie beim DLF – mit dem Bild aus diesem Posting]

Mathematische Sinfonie im Planetarium Bochum

Zeiss-Planetarium Bochum

Trotz der Schneemassen in NRW, die für einen ordentlichen Wintereinbruch am vergangenen Freitag sorgten, haben sich einen Tag später (08. Dezember) insgesamt sechs Mitglieder (plus Freunden) des Köln-Bonner-Astrotreffs (KBA) in Richtung Ruhrgebiet aufgemacht. Zum Besuch des Bochumer Planetariums lockte vor allem das abendliche Double-Feature aus „Fremde Welten – Fremdes Leben“ und „Chaos and Order“, worüber Daniel im Vorfeld bereits hier und hier gebloggt hatte. Die erste Show war etwas mit Science-Fiction angehaucht und wie der Name schon sagt, ging es hier um mögliche Orte für mikrobe Lebensformen im Sonnensystem, die Suche nach Exoplaneten und wie abgefahren die Flora und Fauna einer hypothetischen fernen zweiten Erde aussehen könnte; echte extrasolare Planetensysteme wurden mit 51 Pegasi, Kepler 16 und Gliese 677 C vorgestellt.

Rocco Helmchen, avmediadesign.com

Nach diesem bekannten Forschungsgebiet der Astronomie, folgte nach einer 15-minütigen Pause eine abstrakte Musikshow mit einer Bilderflut, die sich gewaschen hat. Alles was aus Zahlen besteht bzw. mit Zahlen beschrieben werden kann, wurde als atemberaubendes 3D-Kino an die Kuppel des Zeiss-Sterntheaters projiziert. „Chaos and Order“ ist aber keine trockene Vorbereitung für die nächste Mathematik-Vorlesung, sondern eine bildgewaltige mathematische Sinfonie in den vier Sätzen Form, Simulation, Algorithmus und Fraktal. Nach Max Tegmarks Zitat „Unser Universum wird nicht durch Mathematik beschrieben – es ist Mathematik“ zu Beginn der Show, tauchte man völlig in das komplette Lehrbuch des Mathematik-Studiums ein und wurde durch die erzeugten Bilder- und Klangwelten in das Gedankengebäude einer abstrakten Wissenschaft mitgerissen.

Zu Ambient-Klängen und anderen typischen Space-Sounds schwebten beispielsweise in „Form“ in Anlehnung an Kepler die platonischen Körper als Planeten durch den Raum, in „Simulation“ fanden sich natürlich kollidierende Galaxien und die kosmische Strukturbildung durch Dunkle Materie, im dritten Satz entfalteten sich Algorithmen zu verzerrten Rhythmen, dass man meinte, auf einem Mouse-on-Mars-Konzert zu sein, während es im abschließenden „Fraktal“ in die unendliche Tiefe der Mandelbrot-Menge ging. Dass aber mehrdimensionale Fraktale nicht immer chaotische Modelle sind, an denen zweifellos ein Grafik-Designer eines Science-Fiction-Films seine Freude hätte, zeigt etwa der Lorenz-Attraktor (Bild oben), der ebenfalls an eine wechselwirkende Galaxie erinnert.

Im Kontrast zu den vielen ungewohnten und bunten Visualisierungen komplexer Geometrien, abstrakter Theoriegebilde und anderer auf Zahlen basierender Konstrukte, gab es ebenso ruhig dargestellte Zwischeneinblendungen aus gewohnten Stadt- und Natureindrücken, bei denen sich auch die Augen erholen konnten. Entspannend war auch das lange Zwischenspiel „Der mathematische Himmel“, in dem mehrere Minuten lang einzig der Blick an den Nachthimmel aus nadelpunktfeinen Sternen geht. Mathematik am Sternhimmel fand sich in Zahlen auf einer Sternkarte, im scheinbaren Jahreslauf der Sonne und bei den Planeten im himmelsmechanischen Wettlauf zur nächsten Opposition wieder.

Hier der Trailer zu „Chaos and Order“ des Medienkünstlers Rocco Helmchen (Animation, Kamera, Schnitt) und des Sound-Designers Johannes Kraas (Soundtrack, Schnitt):

Ein Dank geht natürlich auch an die Planetariums-Leiterin Frau Hüttemeister, die uns Sternfreunde nach der Musikshow eine kleine Extra-Vorführung gab und noch einiges zum immer noch modernsten Zeiss-Projektor „Universarium IX“ (seit über 12 Jahren im Einsatz) und der neuen 2,7 Millionen Euro teuren Full-Dome-Darstellungstechnik mit 16 Megapixeln berichtete und erzählte, weshalb die über 9.000 analogen Sterne trotz der Digitaltechnik nicht so bald aussterben werden. Sehr sehenswert ist auch die aktuelle Ausstellung zum 50. Geburtstag der ESO, die sich die Astronomen in Garching 5.000 Euro haben kosten lassen und voraussichlich noch bis April 2013 kostenfrei im Planetarium besucht werden kann. [Nico Schmidt]

Musikabend mit astronomischen Daten am Keyboard

Nach den Musikabenden mit Beethoven und Argelander (hier und hier) sowie mit Wilhelm Herschels Sonaten (hier) – zufälligerweise auf den Geburtstag des Astromonen -, folgte am vergangenen Dienstag im Deutschen Museum Bonn der Abschluss der Reihe „Der musikalische Himmel“, in der auf wunderbare Weise Astronomie und Musik verbunden wurde. Statt Darbietungen mit klassischen Instrumenten wie bisher gab es in Paul Hombachs Vortrag „Sternenklänge“ moderne Keyboardsounds aus astronomischen Zahlen und Daten – diese Verklanglichung wird im Fachjargon Sonifikation genannt. Wie Norbert Junkes vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie einleitend zum Vortrag bemerkte, vereint Paul Hombach die nur scheinbar gegensätzlichen Themen Musik und Astronomie. Vom Improvisationstalent, Musiker und Hobbyastronom konnte man sich erst kürzlich bei einem amüsanten Astrotainment-Abend im Springmaus-Theater überzeugen.

Im Museum widmete er sich 90 Minuten lang dem Thema Sonifikation. Seit fast 20 Jahren sonifiziert der Sternfreund – damals waren es die Bahnverhältnisse von Merkur mit seiner scheinbaren Höhe – und stellte in seinem Vortrag viele Klangbeispiele aus astronomischen Daten vor. Aus Kalenderdaten (gregorianischer Kalender, Osterdatum), Himmelsmechanik (u.a. Bahnverhältnisse der inneren Planeten, von Mond und Venustransite), veränderlichen Sternen sowie Sternbildern entstanden live am Keyboard Sonifikationen und zum Schluss – am Beginn von allem angelangt – wurde sogar die Frage beantwort: Wie klingt der Urknall? Natürlich fehlten auch seine Pulsarklänge für jeden Musikgeschmack nicht und außerdem schloss sich hier der Kreis zu Beethoven und Argelander aus dem ersten Musikabend, als der Asteroid (1815) Beethoven hörbar an den Sternen in Argelanders „Bonner Durchmusterung“ vorbeizog (3. Bild). Das Klangspektrum an diesem Abend vor dem Teilchenbeschleuniger war breit gefächert: Neben neuzeitlicher experimenteller Musik von John Cage oder Karlheinz Stockhausen hörte man bei Paul Hombachs Sternenklängen auch klassische Komponisten wie Bach, Mozart oder eben Beethoven raus. [Nico Schmidt]