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Astronomiegeschichte beim DLR-Astroseminar 2015
Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten gilt traditionell dem DLR-Astroseminar, das dieses Jahr unter dem Titel „Wegbereiter der modernen Astrophysik“ steht. Vom 14. April bis zum 19. Mai wird sich in den sechs Vorträgen jeweils sechs sehr interessanten Persönlichkeiten der Astronomiegeschichte gewidmet. Jeder dieser Naturwissenschaftler hat unser Verständnis von der Physik der Sterne oder der Entwicklung im bzw. des Kosmos geprägt. Dazu zählen auch der Philosoph Immanuel Kant und der Priester Georges Lemaître, die für ihre damalige Zeit ebenfalls neuartige Vorstellungen über das Universum hatten. In den Fachvorträgen werden als wichtige „Wegbereiter der modernen Astrophysik“ Isaac Newton (14. April), William Herschel (21.April), Immanuel Kant (28. April), Karl Schwarzschild (05. Mai), Georges Lemaître (12. Mai) und Carl Friedrich von Weizsäcker (19. Mai) vorgestellt. Das 21. DLR-Astroseminar wird wie üblich im Casino auf dem DLR-Gelände in Köln-Porz stattfinden, die Vorträge beginnen jeweils um 15:30 Uhr. Wichtige Hinweise zur Anmeldung sowie ausführliche Informationen zu den Referenten und ihren Vorträgen sind hier nachzulesen. [Nico Schmidt]
Zum 125. auf der Sternwarte von Bamberg
So sieht es heute auf der Dr. Karl Remeis-Sternwarte in Bamberg aus, der einzigen in Deutschland, die komplett durch eine Stiftung – den Nachlass eben jedes Remeis – zustande kam. Und vor 125 Jahren, im Oktober 1889, eröffnet wurde: ein Anlass, die Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in der Stadt und das Kolloquium des AK Astronomiegeschichte in der AG auf der Sternwarte selbst abzuhalten. Deren beide Kuppeln heute – zum Missfallen manches Astro-Historikers – ganz moderne Teleskope enthalten, die für Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden: Mit letzterem Einsatz wird ebenfalls dem letzten Willen von Remeis entsprochen.
Geschichte gibt es vor Ort aber noch reichlich, v.a. in dem langen Gang, der die eigentliche Sternwarte mit dem Verwaltungsgebäude verbindet – eine Auswahl der Highlights:
Ein Coelostat der Münchner Firma Linhoff mit bewegter Vergangenheit: 1874 nahm er an einer Venustransit-Expedition zu den Aucklandinseln teil, dann kaufte ihn 1899 die Remeis-Sternwarte und setzte ihn bis 1950 für einen 100-mm-Heliographen ein, mit dem 1350 Sonnenaufnahmen zur Untersuchung der Flecken entstanden.
Ein Schröder-Refraktor – den Remeis selbst 1882 nach dem Konkurs der Firma günstig erworben hatte: Objektivdurchmesser 264 mm, Brennweite 3870 mm.
Eine Original-Schmidt-Kamera, die Bernhard Schmidt in Hamburg um 1930 baute; der Durchmesser der Korrektorplatte beträgt 120 mm.
Eine lichtstarke Weitwinkel-Kamera mit einem Ernostar-Objektiv (135 mm Öffnung, 240 mm Brennweite): Laut Beschriftung war es genau diese Kamera, mit der als Hauptinstrument von 1926 bis 1962 in Bamberg selbst insgesamt 6400 Fotoplatten aufgenommen wurden. Auf dem Kolloquium wurde aber vom Abtransport des Originals nach dem 2. WK in die Ukraine berichtet, wo es sich heute noch befände: Das stehe eindeutig in einem sowjetischen Dokument. Huh?
Eine Dreifach-Weitwinkelkamera, die 1963-1974 am Boyden Observatory in Südafrika für die Himmelsüberwachung eingesetzt wurde und 16 x 16 cm große Platten belichtete. Öffnung jeweils 100 mm, Brennweiten 610 mm; insgesamt wurden 22 solcher Bausch-and-Lomb-Optiken in Südafrika, Argentinien und Neuseeland verwendet.
Die wahren Schätze der Remeis-Sternwarte befinden sich in diesem Nebengebäude, das es schon vor dem Bau der Sternwarte gab (und in dem ein Astro-Fan gehaust haben musste, denn alte Fotos zeigen mehrere Refraktoren auf den Balkonen): insgesamt 40’000 Fotoplatten von der Bamberger wie den südlichen Sternwarten, die derzeit gerade digitalisiert werden. Besonders wertvoll ist die Sammlung, weil – im Gegensatz zu vielen anderen – zahlreiche Metadaten der Aufnahmen auf Karteikarten und in Kladden erhalten sind:
Ein Stern wird kommen – und untergehen … save the date: 21. Oktober, Köln!
Weihnachten ist dieses Jahr schon am 21. Oktober – denn am Abend dieses Dienstags wird der amerikanische Physiker und Spezialist für Wissenschaftsgeschichte Aaron Adair bei den Skeptics in the Pub Köln in einem Restaurant in Köln-Ehrenfeld die Geschichte des angeblichen Sterns von Bethlehem auseinander nehmen: „The Cosmic Christmas: History, Science, UFOs, and the Star of Bethlehem“ heißt sein Vortrag in englischer Sprache, und der Eintritt ist frei. (Um eine Spende zur Deckung der Unkosten und reichlich Verzehr wird natürlich gebeten.) Durch einen fundamentalen Fachartikel – leider hinter einer Paywall verborgen [NACHTRAG: aber hier frei zu lesen] – und ein darauf folgendes populärwissenschaftliches Buch empfiehlt sich Adair als vielleicht der Kenner der Problematik des SvB-Komplexes (oder wie die Amerikaner zweideutig sagen: dieses SoB) in der Gegenwart. Und seine Teilnahme an einer Tagung zum Thema in Groningen ist auch der Grund für Adairs Europa-Reise, in deren Rahmen er zuvor auch in unsere Gegend kommt (oben ein Bild von der vorangegangen Veranstaltung der Reihe): Dieser Blogger freut sich, dies vermittelt haben zu können und hofft nun auf rege Teilnahme. [Daniel Fischer]
28.04.: Vortrag zu 200 Jahre Fraunhoferlinien
In der neuen Vortragsreihe „Montags in der Sternwarte“ geht es am kommenden Montag um „Fraunhofers Zauberstab und das Regenbogenlicht der Sterne“, wobei der Untertitel auch ganz einfach lauten könnte: Die Geschichte einer astronomischen Sonderbriefmarke. Denn es geht um alles, was mit der abgebildeten Briefmarke zu tun hat. Wer war Joseph Fraunhofer und welche Entdeckung machte er vor genau 200 Jahren, wie entstehen die dunklen Linien in den Regenbogenfarben und welche bahnbrechende Bedeutung haben sie für die Astronomie bzw. was erzählen uns die Linien über die Physik der Sterne? Das ist das Thema des Vortrags, der am 28. April ab 19:00 Uhr in der Volkssternwarte Bonn (VSB) zu hören sein wird; das Refraktorium ist wie immer ab 18:00 Uhr geöffnet. Wie wegweisend Fraunhofers Entdeckung nach wie vor ist, zeigt übrigens auch diese Zeittafel zu 200 Jahre Fraunhoferlinien, außerdem gibt es Mitte Mai in Köln eine Fachtagung zur Amateur-Astrospektroskopie. [Nico Schmidt]
Radioastronomen zu Gast bei den optischen Hobbyastronomen
Mit einem ungewohnten „very warm welcome“ begrüßte Peter Oden gestern Abend insgesamt 31 Gäste in der Volkssternwarte Bonn, denn das Publikum bestand aus vorwiegend englischsprachigen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe „Radioastronomische Fundamentalphysik“ des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR). Ab halb 6 trafen die ersten Leute ein, denen ich in meinem kleinen 80mm-Refraktor noch die Venussichel dicht über einer Dachkante zeigen konnte. Danach hielt Peter Oden zunächst einen Vortrag über den großen Bonner Astronomen Argelander und die historische Sternwarte in Poppelsdorf, wo in den 1850er Jahren die bekannte Bonner Durchmusterung durchgeführt wurde. Im Anschluss folgten Führungen in das alte Sternwartengebäude, wobei ich eine Gruppe in den großen Heliometer-Turm und – einen astronomiegeschichtlichen Flur hindurch – in den Argelander-Turm begleitete und die Bedeutung dieser Orte den Doktoranden und anderen Radioastronomen näher brachte. Dabei entdeckte ich, dass sich sogar Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschergruppe, unter den Besuchern befand.
Sowohl oben im kleinen Turm als auch anschließend an den unten aufgestellten Teleskopen versuchte man sich sogar mit Handys und Kameras am Okular als Mondfotografen (wegen Autofokus ist mein Foto oben etwas überbelichtet) oder staunten ganz einfach über die eindrucksvollen Schatten der Krater und Mondgebirge. Da M 57 zusammen mit dem Lichtdunst der Stadt und dem hellen Halbmond kaum noch zu sehen war, zeigte ich stattdessen den Kleiderbügel-Asterismus und den farbigen Doppelstern Albireo und nebenbei kam man noch etwas mit den theoretisch oder praktisch arbeitenden Radioastronomen ins Gespräch. So erzählte mir z.b. ein Astroteilchenphysiker vom Nachweis von Radiostrahlung von Teilchenschauern der Kosmischen Strahlung. Mit einem Dankeschön für Vorträge, Führungen und Mondbeobachtung endete schließlich der fast zweistündige Ausflug der mit Meterwellen arbeitenden Fachastronomen zu den Hobbyastronomen mit dem Nanometer-Wellenlängenbereich. [Nico Schmidt]
Vor 100 Jahren: Als sich Hertzsprung und Russell in Bonn trafen

August 2013

August 1913 [University of Chicago Photographic Archive; apf6-04474]
Heute ist der im Frühjahr 1913 fertiggestellte Neubau der Bonner Physiker gut hinter Bäumen versteckt und bis auf ein Schwarz-Weiß-Foto erinnert nichts an die hier im selben Jahr stattgefundene Konferenz internationaler Astrophysiker. Die einzige erkennbare Verbindung beider Bilder ist die Fassade; dort wo das Gruppenfoto (beschriftete Version) mit den fast 100 Tagungsteilnehmern vor den Fenstern des rechten Flügels entstand, wachsen heute Büsche und ein hoher Strauch. Gestern vor 100 Jahren ging sie zu Ende: Die Tagung der als Solar Union bekannten Sonnenforscher-Vereinigung. Gegründet wurde sie 1904 von George Ellery Hale, dem Pionier der modernen Sonnenforschung und nur sechs Jahre nach dem Treffen in Bonn ging aus der Solar Union die Internationale Astronomische Union (IAU) hervor. Die IAU-Vorgängerorganisation verstaltete aber längst keine reine Sonnentagung, diskutiert wurden Solarphysik, stellare Astrophysik und Arbeiten zur Spektroskopie, und wer Rang und Namen auf diesen Gebieten hatte, kam im Sommer 1913 nach Bonn: Edward C. Pickering, Annie Jump Cannon, Max Wolf, Hertzsprung, Russell, Eddington, Schwarzschild, Ludendorff, Plaskett, Strömgren usw. – nur der Gründer George Ellery Hale hatte keine Zeit.
Die Bonner Versammlung der Solar Union fand vom 30. Juli bis 05. August 1913 statt. Die Gastgeber waren der Physikprofessor Heinrich Kayser, Nachfolger von Heinrich Hertz, und der Astronomieprofessor Karl Friedrich Küstner von der Bonner Sternwarte in Poppelsdorf; als Tagungsort wurde das neue Physikalische Institut in der Nußallee ausgewählt. Die „Sonnentagung in Bonn“ fasste Dieter B. Herrmann 1994 so zusammen: „Die Atmosphäre auf der Tagung war ausgesprochen familiär. Die spezifischen Themen der Sonnenforschung, die in Berichten und Beschlüssen zum Ausdruck kamen, umfassten die Sonnenstrahlung (Solarkonstante), die Wellenlängennormale, Sonnenfinsternisse, die Bestimmung der Sonnenrotation aus den Radialgeschwindigkeiten des Randes u.a. Für die Astrophysik waren die Diskussionen zur Klassifikation der Sternspektren von bevorzugtem Interesse, die unter der Leitung von Pickering geführt wurden.“ So wurde hier die von Annie Jump Cannon entstandene Harvard-Klassifikation allgemein anerkannt. Neben dem offiziellen Tagungsprogramm gab’s auch ein umfangreiches Unterhaltungsangebot: Essen mit dem Bonner Oberbürgermeister am Ankunftstag, ein organisierter Überflug eines Zeppelins aus Köln, Bootstour auf dem Rhein, Autofahrt an die Mosel nach Cochem (für die „Damen und älteren Herren“) und Wanderung ins Siebengebirge (für die „wanderlustigen jüngeren Herren“) sowie eine Bahnfahrt nach Köln, wo es neben dem Dombesuch ein feierliches Bankett mit dem Kölner Oberbürgermeister im Gürzenich gab.
Am Freitagabend, 01. August, luden Direktor Küstner und seine Frau zur Sternwarte in Poppelsdorf ein, wo eine „stimmungsvolle Gartenparty“ stattfand und sich die Gäste wie auf „heiligem Boden“ vorkamen. „Das wunderschöne Gelände der Sternwarte war geschmackvoll dekoriert und die Gäste fühlten sich durch den Gastgeber und seine charmante Frau und Töchter ganz wie zu Hause.“ Vor dem Abendessen wurde natürlich noch das Sternwartengebäude mit den Instrumenten und sicher auch der nebenstehende Kuppelbau mit dem größten Teleskop Bonns besichtigt, aber natürlich fand Argelanders Bonner Durchmusterung das größte Interesse. Da ist es nicht schwer vorstellbar, dass bei dieser Besichtigung auch Edward C. Pickering der Satz über die Lippen kam: „This is the smallest telescope in the world, with which the greatest work has been accomplished!“ Mit dem kleinsten Fernrohr ist der Refraktor mit 77mm Öffnung gemeint, mit dem Argelander in 7 Jahren Beobachtungszeit die größte Arbeit vollendet hat. Man kann sich sogar vorstellen, wie sich Ejnar Hertzsprung und Henry Norris Russell bei einer Tasse Küstners Tee über Rote Riesen, Weiße Zwerge, Sternentwicklung und andere Einzelheiten ihrer Arbeiten diskutierten. Vielleicht sah Hertzsprung sogar Russells Entwurf eines Sterndiagramms.
Beide Sternforscher, nach denen das Hertzsprung-Russell-Diagramm benannt ist, begneten sich in Bonn zum ersten Mal. Wie es 1913 zur Entstehung des wichtigsten Diagramms der Astrophysik kam, kann man übrigens im aktuellen Heft 89 der Zeitschrift interstellarum nachlesen.
Tagungsberichte zum Treffen der Solar Union 1913 in Bonn:
- The Solar Union
- The Fifth Conference of the International Union for Co-Operation in Solar Research
- The International Union for Co-operation in Solar Research
- International Meetings of Astronomers in Germany
[Nico Schmidt]
Astroabend am Argelander-Institut am 19. Juli: erst ein historischer Vortrag, dann eine besondere Saturn-Party!
Ein ungewöhnliches Doppel-Paket Astronomie haben das Argelander-Institut für Astronomie (AIfA), der Köln-Bonner-Astrotreff (KBA) und die Sternfreunde Siebengebirge für den kommenden Freitagabend schnüren können: Erst gibt es – bereits ab 18:30 Uhr MESZ – die Möglichkeit von Sonnenbeobachtung vor nämlichen Institut in Bonn-Endenich, dann als erstes Highlight um 19:00 Uhr einen rund 45-minütigen Vortrag von Michael Geffert über den alten Doppelrefraktor, der früher einmal in Poppelsdorf stand. Es folgt eine kurze Präsentation zur aktuellen Saturnforschung und warum der 19. Juli 2013 dabei ein Tag mit besonderer „Bedeutung“ für die Erde ist. Und ab ca. 21:15 Uhr können – weiterhin gutes Wetter vorausgesetzt – vor dem Institut Venus, Mond und schließlich Saturn mit Teleskopen von KBA, VSB und Sternfreunden Siebengebirge beobachtet werden, wobei der Abend gegen 23:30 Uhr mit einer Teilnahme an der globalen Aktion „Winkt dem Saturn“ seinen Abschluss findet.
Dieses kleine Gebäude an der Poppelsdorfer Allee 47 kann man schnell übersehen, da es hinter dem großen Backsteinbau von Bonns Alter Sternwarte steht. Seit 1976 ist der Bau mit der grauen Kuppel das Domizil der Volkssternwarte Bonn (VSB); es wurde vor 115 Jahren errichtet und beheimatete bis in die 1960-er Jahre das größte Teleskop der Stadt: ein 5 Meter langes Doppelfernrohr, das parallel fotografisch und visuell genutzt wurde. Die über ein Jahrhundert alte Geschichte des Bonner Doppelrefraktors (36 cm Öffnung, 5,4 m Brennweite [visuell] bzw. 30cm Öffnung, 5,1m Brennweite [fotografisch]) ist Thema des Vortrags von Michael Geffert ab 19:00 Uhr: Der Eintritt ist frei und die Veranstaltung auch aber keineswegs nur für Kinder gedacht.
Anschließend dann ein großer Sprung zur modernen Saturnforschung, gefolgt von der Live-Beobachtung der Venus, des Mondes und schließlich – ab etwa 22:15 Uhr – auch des Saturn selbst. Und zwischen 23:27 und 23:42 Uhr wird es dann kurios, wenn es „Winkt dem Saturn“ heißt: Licht, das die Erde in dieser Viertelstunde Richtung Saturn verlässt, wird 80 Minuten später von einer Kamera auf dem Orbiter Cassini eingefangen, der in dieser Nacht eine spektakuläre Gegenlichtaufnahme Saturns – mit der Erde winzig aber deutlich – im Bildfeld aufnimmt: Jeder darf sich dann als Teil dieses Bildes fühlen …
Michael Gefferts Vortrag findet übrigens im Rahmen der „Sammlung historischer Himmelsaufnahmen“ (Seite 26) statt, zu der es bereits im Frühjahr drei Vorträge (z.b. diesen) gab. Nun folgen drei weitere Termine zur Astronomiegeschichte von Bonn:
19. Juli um 19:00 Uhr: „Der Bonner Doppelrefraktor – Geschichte eines ungewöhnlichen Fernrohrs“
16. August um 19:00 Uhr: „Sternhaufen – Meilensteine im All“
18. Oktober um 19:00 Uhr: „Messier 42 – Der große Nebel im Sternbild Orion“
[Nico Schmidt, mit neuen Entwicklungen mehrfach AKTUALISIERT von Daniel Fischer]
Am Eröffnungstag im Bonner Universitätsmuseum
Wie vor 10 Tagen berichtet, öffnete heute zum ersten Mal das neue Universitätsmuseum Bonn seine Türen (Presseechos gibt’s hier, hier sowie hier, und wie man sieht, war das Uni-TV auch vor Ort). Und da steht es nun, das heute einzigartige Heliometer. Nachdem es vor 170 Jahren in Poppelsdorf in der Bonner Sternwarte aufgestellt wurde, ist es hier nun erstmals dauerhaft für die Öffentlichkeit ausgestellt. Wie auf Hochglanz poliert steht es fast zentral im großen Museumsraum und wirkt so tatsächlich wie ein technisches „Prunkstück“, wie es Thomas Becker, Leiter des Archivs der Uni Bonn und „spiritus rector“ (die Ansprache des Rektors) bzw. Vater des Universitätsmuseums, in einem Interview bemerkte. Seit „fast 20 Jahren“ hatte er den Traum eines Museums, das die Universität selbst zum Thema hat.
Räumlich gesehen ist es zwar nur ein „ein Raum tiefes Museum“, aber auf der Zeitachse bietet es gebündelt die fast 200-jährige Geschichte der Universität Bonn; in einem kleineren Vorraum ist derzeit die Wechselausstellung zum Hofgarten, „Bonns schönster Liegewiese“, zu sehen. Großartig fand ich vor allem, dass der warme hölzerne Look der ehemaligen Studentenbücherei beibehalten und in das moderne Design des Museums integriert wurde. An den Wänden werden die einzelnen Fakultäten und die Geschichte der 1818 gegründeten Universität vorgestellt: Von der 1827 aufgesetzten Verfassung, über einen mehr als 100 Jahre alten prachtvollen Rektor-Talar, Heinrich Heines Urkunde zur Ehrendoktorwürde bis zu Exmatrikeln und Reisepässen ausländischer Studenten. Die Wand an der Kopfseite ist der Platz von Bonns berühmtesten Studenten. Beispielsweise finden sich hier Karl Marx (eine Karzerstrafe wegen „nächtlichen ruhestörenden Lärmens und Trunkenheit“ ist auf seiner Exmatrikel vermerkt), Konrad Duden, Friedrich Nietzsche, Karlheinz Stockhausen und Norbert Blüm. Und mit den beim Sofa liegenden Tablets lassen sich einige Clips (u.a. ein kurzer Beitrag vom Sternenfest 2009 mit Ranga Yogeshwar über die Hobbyastronomie) ansehen.
In 10 großen Tischvitrinen als „Schaufenster der Wissenschaft“ werden einzelne große Forschungsarbeiten vorgestellt; auf ausziehbaren Tafeln kann man weitere Hintergründe nachlesen. Hier findet man etwa August Kekulé und die Entschlüsselung eines Moleküls bzw. wie er durch einen Traum einer sich in den Schwanz beißenden Schlange auf den Aufbau des Benzol-Rings kam, und Wolfgang Paul, einer von zwei Nobelpreisträgern (in fünf Jahren) der Universität. Zum Teilchenphysiker Wolfgang Paul und seiner Erfindung, der sog. Ionen-Falle, wird es im Deutschen Museum Bonn in der Ahrstraße vom 13. November 2013 bis zum 24. August 2014 eine Sonderausstellung geben: „Der Teilchenfänger – Die Welt der Atome erleben und verstehen“. Und dann begegnet man zwischen Lotus-Effekt und Benzol-Ring natürlich noch Professor Argelander und seine „Bonner Durchmusterung“. Es wird das schrittweise Entstehen des Sternkatalogs, der nach 11 Jahren Arbeit 1863 veröffentlicht wurde, gezeigt und im Text heißt es, dass von um 1870 erst 20 bekannten Sternentfernungen 4 mit dem Bonner Heliometer gemessen wurden. Will man also Bonner Wissenschaftsgeschichte oder einfach die 200-jährige Geschichte der Universität entdecken, dann lohnt sich das „ein Raum tiefe Museum“ auf jeden Fall. [Nico Schmidt]
Von Linien und Punkten, Zwergen und Riesen
Blickt man in einer klaren Nacht hoch an das Himmelszelt, so erscheinen die unzähligen Sterne nur als bloße Lichtpunkte, doch mit der Entdeckung der sog. Fraunhoferlinien – nach dem genialen Optiker Joseph Fraunhofer benannt – vor ziemlich genau 200 Jahren im bayrischen Benediktbeuern war der Schlüssel zur direkten Erforschung der Gestirne gefunden – selbst wenn die zu untersuchenden Studienobjekte Lichtjahre weit entfernt sind. Vor etwa 150 Jahren begründeten schließlich der Physiker Gustav Kirchhoff und der Chemiker Robert Bunsen in Heidelberg die Spektralanalyse und begannen den im Sternlicht versteckten „Strichcode“ zu verstehen; das vor 100 Jahren erdachte Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD), basierend auf der Entdeckung von Sternriesen und -zwergen durch Ejnar Hertzsprung und Henry Norris Russell, war ebenfalls ein wegweisender Meilenstein für die Stellarastronomie. Diese spannende Entwicklung in der Astronomie hat Michael Geffert in einem Vortrag am 31. Mai im Kontext zur Bonner Astronomiegeschichte dargestellt. Während zu Argelanders Zeiten an der alten Sternwarte in Poppelsdorf noch einige der ersten Sternentfernungen bestimmt wurden, hielt ab 1900 mit der Aufstellung des großen Doppelrefraktors in einem nebenstehenden Kuppelbau (heute Heimat der Volkssternwarte Bonn (VSB)) die Spektroskopie Einzug in die Bonner Astronomie.
Vor allem sind hier Karl Friedrich Küstner und Waltraut Seitter zu nennen. Küstners Arbeitsgebiet war die Bewegungen von Sternen und Kugelsternhaufen und so bestimmte er spektroskopisch u.a. Radialgeschwindigkeiten (Bild 3 zeigt ein Spektrum des Sterns alpha Ari), wobei dies umgekehrt sogar Rückschlüsse auf die Bewegung der Erde um die Sonne zulässt. Mit 18 Spektren des hellen Sterns Arktur (alpha Boo), aufgenommen im Juni/Juli 1904 und Dezember/Januar 1905, konnte Küstner aus den Verschiebungen von Spektrallinien auf die Erdgeschwindigkeit und damit auf den Abstand von der Erde zur Sonne – Astronomische Einheit (AE) genannt – bestimmen. Dazu gibt es auch Praktikumsaufgaben „für Schlechtwetter-Astronomie“ (ohne Lösung, mit Lösung). 60 Jahre später folgte dann der von Waltraut Seitter erstellte „Bonner Spektralatlas“, die erste Habilitationsschrift einer Astronomin in Deutschland. Und es wurde sogar versucht, ob mittels Spektroskopie Aussagen über den Aufbau unserer Umgebung in der Milchstraße (Bild 4) möglich sind.
Nach dem für mich sehr interessanten Vortrag, obwohl es eigentlich nur um die Analyse von Linien ging, wurde erneut die vor einem Jahr geschlossene Bonner Universitätssternwarte auf dem Hohen List in der Eifel thematisiert. Wie es hieß, wird es wohl sehr wahrscheinlich dazu kommen, dass die großen Teleskope deutschlandweit ausgeschrieben werden. Das 1953 aufgestellte Schmidt-Teleskop (50 Zentimeter Spiegel, 34 Zentimeter Öffnung, 1,4 Meter Brennweite), mit dem der „Bonner Spektralatlas“ entstand, ist glücklicherweise schon gerettet und soll beim Käufer als Gartensternwarte genutzt werden. Und das 170 Jahre alte Heliometer Argelanders ist endlich für die Öffentlichkeit zugänglich und kann ab sofort im neuen Universitätsmuseum besichtigt werden.
Anschließend konnte man noch einen Blick in den Raum der entstehenden „Sammlung historischer Himmelsaufnahmen“ werfen, auch wenn diese eigentlich noch rudimentär über drei Räume verteilt ist. Ein paar historische Geräte waren zu sehen und auf zwei Tischen lagen ausgebreitet alte Arbeitsmaterialien: Darunter Blätter des „Bonner Spektralatlas“ mit einem Massenspektrometer links (Bild 5), das im Sommer 1983 und Anfang 1984 bei zwei Space-Shuttle-Missionen mitflog, sowie eines von drei Objektivprismen des Schmidt-Teleskops (Bild 6), das dem Bonner Astronomen Theodor Schmidt-Kaler mal auf den Fuß fiel, wie Herr Geffert erzählte. Außerdem versuchten sich einige Besucher mit kleinen Bastel-Spektroskopen am Erkennen der Fraunhoferlinien im Sonnenlicht und tatsächlich war schwach aber immerhin der Schlüssel zur Physik der Sterne darin sichtbar.
Übrigens wird die astronomiegeschichtliche Reihe zur „Sammlung historischer Himmelsaufnahmen“ im Spätsommer erneut mit drei Vorträgen fortgesetzt, wobei im August ein Vortrag zum Bonner Doppelrefraktor folgen wird. Und wer Näheres zur Geschichte des vor genau 100 Jahren entstandenen Hertzsprung-Russell-Diagramms erfahren möchte, dem sei noch die nächste Ausgabe der Zeitschrift „interstellarum“ empfohlen; das Heft 89 erscheint am 19. Juli. [Nico Schmidt]
Bonner Heliometer reif für neues Universitätsmuseum
170 Jahre nachdem das Bonner Heliometer nach Poppelsdorf in die damals noch im Bau befindliche Sternwarte kam, hat das historische Instrument einen neuen Stammplatz bekommen. Viele Jahre stand es vor dem großen Vorlesungsraum im Argelander-Insitut für Astronomie (AIfA) in Endenich, für die Öffentlichkeit war das imposante Fernrohr bisher nur bei seltenen Ausstellungen wie 1975 und 2009/2010 zu sehen, doch nun erhält es endlich einen Platz, den es auch verdient – als Mittelpunkt im neuen Universitätsmuseum (www.museum.uni-bonn.de). In 10 Tagen wird es eröffnet und steht damit ab dem 26. Juni ab 11 Uhr für Besucher offen. An vier Tagen in der Woche erhält man dann im Hauptgebäude der Universität untergebrachten Museum Einblicke in „die akademische Tradition und Geschichte der Forschungsuniversität Bonn“, die fast 200 Jahre zurückgeht. Neben der Dauerausstellung werden hier auch wechselnde Ausstellungen – aktuell zur Hofgartenwiese im Wandel der Zeit – angeboten. Das Team von uni-bonn.tv war bei den letzten Arbeiten dabei und außerdem sieht man, wie sechs Leute und ein Kran für die Aufstellung des großen Heliometer-Fernrohrs nötig waren.
Mit dem beeindruckenden wenn auch längst museumsreifen Heliometer, das über ein Jahrhundert lang im Hauptturm der von Argelander in Poppelsdorf errichteten Bonner Sternwarte stand, hat das Universitätsmuseum ein wahres Stück Astronomiegeschichte zu bieten. 1838 gelang mit einem identischen Gerät die erste Entfernungsbestimmung eines Sterns. Erst mit dieser Messung wusste man wie unvorstellbar weit die Sterne tatsächlich entfernt sind. Dieses Instrument wurde allerdings zerstört, so dass diese alte Beobachtungskunst und der damit verbundene Meilenstein heute nur noch mit Argelanders Heliometer lebendig wird. Es stammt aus der Werkstatt Fraunhofers, wurde 1842 nach Bonn verschickt und wenig später mit der Fertigstellung des Sternwartenbaus im Hauptturm aufgestellt. Unter Argelanders Leitung wurden mit diesem 6-Zoll-Fernrohr ebenfalls einige der ersten Sternentfernungen gemessen, durchgeführt von den Astronomen Winnecke und Krüger. [Nico Schmidt]