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Planetenkette zum Jahreswechsel

Zum Jahreswechsel gibt es in der Abenddämmerung im Südwesten bei freier Horizontsicht eine Vierer-Planetenkette bestehend aus Merkur – Venus – Saturn – Jupiter zu sehen. Die mit Stellarium erstellte Grafik zeigt den Anblick für Bonn am 1.1.2022 um 17:00 MEZ. Weitere Himmelsereignisse für die Region: Die Astrovorschau für Januar / Februar 2022 ist jetzt online auf den Seiten der Volkssternwarte Bonn. Einen Ausblick auf das neue Jahr, z.B. mit dem „Planetentanz“ am Morgenhimmel von Februar bis Mai, der Mondfinsternis am 16. Mai oder der partiellen Sonnenfinsternis am 25. Oktober gibt es im Live-Vortrag „Was bringt 2022? – Ein kurzer Blick in die Zukunft“ im Planetarium Bochum am 4. Januar 20:00 Uhr. Allen Astronomiefans einen guten Rutsch und ein an Sternstunden reiches neues Jahr 2022 wünscht. Edit: Eine tolle Übersicht auf 2022 aus astronomischer Sicht inkl. einer Liste geplanter Raumfahrmissionen und runder Jahrestage hat Daniel Fischer zusammengestellt. P. Hombach.

Nachtrag 1: Drei von vier Planeten an Neujahr auf einem Bild. Foto: P. Hombach
Nachtrag 2: Merkur war am 1.1. auch zu sehen, wg. Wolken nicht gleichzeitig mit den anderen Planeten. Bild: P. Hombach
Nachtrag 3: Nein, keine Mond-, sondern die Venussichel am 1.1.2022, aufgenommen mit 600mm Brennweite (Ausschnitt). Bild: P. Hombach

Merkurtransit – schon wieder ein Erfolg

3½ Jahre nach dem letzten Merkur-Durchgang, der an einem warmen Mai-Nachmittag vor dem Planetarium Bochum perfekt beobachtet werden konnte, hat es beim heutigen November-Transit doch tatsächlich ein weiteres Mal geklappt (hier ein Handy-Schnappschuss durch das Okular eines Refraktors mit Herschel-Keil) – jedenfalls im Zeitraum 14:45 bis 15:30 MEZ, der zwischen den Eintritt (13:35) und die Transit-Mitte (16:19) fiel. Und das kam so, auch in diesem Album von unten nach oben dokumentiert …

Rund um den Eintritts-Zeitpunkt, als nach einem kurzen Vortrag des Autors (und Koordinators der Beobachtungen) die meisten Besucher vor Ort waren, ging am echten Himmel gar nichts: Die Wolkendecke verschmierte das Bild dermaßen, dass nicht einmal der Sonnenrand zu erkennen war. So musste man sich zunächst mit Webcasts auf der Kuppel vergnügen, von denen dieser aus La Palma konsistent das beste Bild lieferte, alternativ wurde auch nach München und via MDR nach Radebeul geschaltet. Und draußen drehte Sat.1 NRW, wobei diese halbe Minute heraus kam …

Da schauten die beiden parallel montierten Teleskope des Gerätewarts Oliver Pollmann des Vereins Ad Astra noch vergebens vom Planetariums-Hügel über die Castroper Straße hinweg, und viele Besucher hatten bereits aufgegeben – aber plötzlich begannen Gegenstände Schatten zu werfen: Die Sonne wurde klarer! Bald war in Refraktor der Sonnenrand zu erkennen …

… und mit weiterem Ausdünnen der Wolken (das tatsächlich zwei Wettermodelle für 15 bis 16 Uhr prognostiziert hatten) auch der Merkur! Den erst nur der Autor, aber mit weiter steigender Transparenz dann auch einer der Besucher und schließlich alle deutlich sehen konnten. Und das nicht nur im Refraktor sondern auch dem H-Alpha-Teleskop, wobei fleißig durch beide fotografiert wurde – hier der allererste und zwei weitere Erfolge des Autors dabei. Schließlich versank die Sonne dann doch in einer nahenden Regenfront, aber eine Dreiviertelstunde war der letzte Merkurtransit für 13 Jahre zu verfolgen gewesen, der wieder zu faszinieren vermochte:

[Daniel Fischer]

Mond, Venus & Mars über Bochum

Sehenswerte Konstellationen in der Abenddämmerung über dem Bochumer Planetarium: Drei-Tages-Mond und Venus – und später auch noch oben links der Mars dazu:

[Daniel Fischer. NACHTRÄGE: zwei der späteren Bilder auch größer hier und hier bzw. hier – und wie es am nächsten Abend und noch zwei Abende drauf weiter ging]

Wenn Captain Picard in 48 Minuten einfach alles erklärt

Die Astronomie-Szene Nordrhein-Westfalens – und bald der ganzen Bundesrepublik – ist seit heute um eine Attraktion reicher: Im Planetarium Münster und ab dem 5. August auch im Planetarium Bochum (sowie im weiteren Jahresverlauf noch in mindestens acht weiteren in anderen Bundesländern) läuft die brandneue Show „Zeitreise – vom Urknall zum Menschen“, nach den guten Erfahrungen mit dem Erstling vor zwei Jahren nun die zweite aufwändige Gemeinschaftsproduktion zahlreicher deutscher Planetarien in der Fulldome-Ära.

Waren es beim ersten Mal noch sechs, so haben nun gleich zehn Planetarien gleichzeitig das gewaltige Projekt gestemmt: hier alle Hauptverantwortlichen, die bei der gestrigen Premiere in Münster (ganz unten) anwesend waren, bei dem die Federführung lag und dessen Leiter Björn Voss (unten) auch Regie führte. Der Anspruch (Domeshot aus Voss‘ einführendem Vortrag) war enorm und wurde souverän umgesetzt, mit Unterstützung zahlreicher Spezialisten für Computergrafik. Aber die agierten nicht nach primär künstlerischen oder dramatischen Gesichtspunkten, wie so oft in der Astro-Visualisierung für die Massen, sondern setzten akribisch echte wissenschaftliche Daten und numerische Ergebnisse großer Simulationsrechnungen in spektakuläre Animationen um, die den Zuschauer in den thematisch äußerst dicht gepackten 48 Minuten auf allen Seiten umwirbeln.

Pro Szene habe er typischerweise ein Buch lesen müssen, um es auch ja richtig zu machen, erzählt der Astronom Voss und übertreibt kaum: Schließlich geht das Programm weit über die Astrophysik hinaus. Auch da wird in der Show bereits manches neu gesehen: Der Urknall ist z.B. keine Explosion in einem schwarzen Nichts sondern ein blau strahlender Raum (denken Sie mal drüber nach) – und die Dunkle Materie ist wirklich dunkel, erscheint als düstere Filamente vor hellem Hintergrund. Rasch entstehen Milchstraße, Sterne, Sonne, Erde, Mond, denn der eigentliche Schwerpunkt der Zeitreise – die konventionell aber überzeugend anhand des Gleichnisses 13.8 Mrd. Jahre = 1 Jahr fortschreitet – sind die Entstehung und Ausbreitung des Lebens auf der sich weiter entwickelnden Erde (mit Dinosauriern satt).

Voss, den beim Skript mehrere weitere PlanetariumsleiterInnen berieten, macht sich dabei weitgehend die White-Smoker-Hypothese zu eigen (die gerade erneut von Martin et al. in Science 344 [6. Juni 2014] 1092-3 vorgestellt wurde) und nennt populäre Alternativen der Biogenese nicht einmal: eine interessante Provokation. Das Programm schreckt auch vor Fachbegriffen nicht zurück und präsentiert derart viel Material, dass es wohl auch Sachkenner etliche Male sehen müssen, um alle Details mit zu bekommen. Ein kompletter Abriss gleich mehrerer Naturwissenschaften auf dem allerneuesten Stand, und das auch noch aus dem Off erzählt von der aktuellen deutschen Stimme von Jean-Luc Picard: Wen das nicht bewegt, bei dem ist ein gewichtiger Teil der menschlichen Kulturgeschichte noch nicht angekommen … [Daniel Fischer]

Mathematische Sinfonie im Planetarium Bochum

Zeiss-Planetarium Bochum

Trotz der Schneemassen in NRW, die für einen ordentlichen Wintereinbruch am vergangenen Freitag sorgten, haben sich einen Tag später (08. Dezember) insgesamt sechs Mitglieder (plus Freunden) des Köln-Bonner-Astrotreffs (KBA) in Richtung Ruhrgebiet aufgemacht. Zum Besuch des Bochumer Planetariums lockte vor allem das abendliche Double-Feature aus „Fremde Welten – Fremdes Leben“ und „Chaos and Order“, worüber Daniel im Vorfeld bereits hier und hier gebloggt hatte. Die erste Show war etwas mit Science-Fiction angehaucht und wie der Name schon sagt, ging es hier um mögliche Orte für mikrobe Lebensformen im Sonnensystem, die Suche nach Exoplaneten und wie abgefahren die Flora und Fauna einer hypothetischen fernen zweiten Erde aussehen könnte; echte extrasolare Planetensysteme wurden mit 51 Pegasi, Kepler 16 und Gliese 677 C vorgestellt.

Rocco Helmchen, avmediadesign.com

Nach diesem bekannten Forschungsgebiet der Astronomie, folgte nach einer 15-minütigen Pause eine abstrakte Musikshow mit einer Bilderflut, die sich gewaschen hat. Alles was aus Zahlen besteht bzw. mit Zahlen beschrieben werden kann, wurde als atemberaubendes 3D-Kino an die Kuppel des Zeiss-Sterntheaters projiziert. „Chaos and Order“ ist aber keine trockene Vorbereitung für die nächste Mathematik-Vorlesung, sondern eine bildgewaltige mathematische Sinfonie in den vier Sätzen Form, Simulation, Algorithmus und Fraktal. Nach Max Tegmarks Zitat „Unser Universum wird nicht durch Mathematik beschrieben – es ist Mathematik“ zu Beginn der Show, tauchte man völlig in das komplette Lehrbuch des Mathematik-Studiums ein und wurde durch die erzeugten Bilder- und Klangwelten in das Gedankengebäude einer abstrakten Wissenschaft mitgerissen.

Zu Ambient-Klängen und anderen typischen Space-Sounds schwebten beispielsweise in „Form“ in Anlehnung an Kepler die platonischen Körper als Planeten durch den Raum, in „Simulation“ fanden sich natürlich kollidierende Galaxien und die kosmische Strukturbildung durch Dunkle Materie, im dritten Satz entfalteten sich Algorithmen zu verzerrten Rhythmen, dass man meinte, auf einem Mouse-on-Mars-Konzert zu sein, während es im abschließenden „Fraktal“ in die unendliche Tiefe der Mandelbrot-Menge ging. Dass aber mehrdimensionale Fraktale nicht immer chaotische Modelle sind, an denen zweifellos ein Grafik-Designer eines Science-Fiction-Films seine Freude hätte, zeigt etwa der Lorenz-Attraktor (Bild oben), der ebenfalls an eine wechselwirkende Galaxie erinnert.

Im Kontrast zu den vielen ungewohnten und bunten Visualisierungen komplexer Geometrien, abstrakter Theoriegebilde und anderer auf Zahlen basierender Konstrukte, gab es ebenso ruhig dargestellte Zwischeneinblendungen aus gewohnten Stadt- und Natureindrücken, bei denen sich auch die Augen erholen konnten. Entspannend war auch das lange Zwischenspiel „Der mathematische Himmel“, in dem mehrere Minuten lang einzig der Blick an den Nachthimmel aus nadelpunktfeinen Sternen geht. Mathematik am Sternhimmel fand sich in Zahlen auf einer Sternkarte, im scheinbaren Jahreslauf der Sonne und bei den Planeten im himmelsmechanischen Wettlauf zur nächsten Opposition wieder.

Hier der Trailer zu „Chaos and Order“ des Medienkünstlers Rocco Helmchen (Animation, Kamera, Schnitt) und des Sound-Designers Johannes Kraas (Soundtrack, Schnitt):

Ein Dank geht natürlich auch an die Planetariums-Leiterin Frau Hüttemeister, die uns Sternfreunde nach der Musikshow eine kleine Extra-Vorführung gab und noch einiges zum immer noch modernsten Zeiss-Projektor „Universarium IX“ (seit über 12 Jahren im Einsatz) und der neuen 2,7 Millionen Euro teuren Full-Dome-Darstellungstechnik mit 16 Megapixeln berichtete und erzählte, weshalb die über 9.000 analogen Sterne trotz der Digitaltechnik nicht so bald aussterben werden. Sehr sehenswert ist auch die aktuelle Ausstellung zum 50. Geburtstag der ESO, die sich die Astronomen in Garching 5.000 Euro haben kosten lassen und voraussichlich noch bis April 2013 kostenfrei im Planetarium besucht werden kann. [Nico Schmidt]