Archiv für den Monat Dezember 2014

Ein Stern wird kommen … Fahrplan für den „Weihnachtskometen“ Lovejoy

So dramatisch wie auf diesem Bild, aufgenommen vor drei Tagen von Martin Mobberley mit einem ferngesteuerten 51-cm-Teleskop in Australien, wird er natürlich für visuelle Beobachter nicht am Himmel über Deutschland stehen, aber der Komet C/2014 Q2 (Lovejoy) ist schon etwas Besonderes: Nach einem seit Monaten stabilen Trend sollte er Mitte Januar 4. Größe erreichen – und dabei 40 bis 60 Grad hoch an dunklem und mondfreiem Nachthimmel stehen! Ohne künstliche Himmelsaufhellung müsste er, mutmaßlich als diffuses Scheibchen, auch mit dem bloßen Auge, auf jeden Fall aber mit jeder Art Feldstecher zu finden sein. Nachdem die letzten leidlich hellen Kometen alle aus der Abend- oder Morgendämmerung gefischt werden mussten, ist Lovejoy eine ausnehmend benutzerfreundliche Alternative, die auch Sternfreunde außerhalb der Kometenszene interessieren sollte und womöglich gar die breite Öffentlichkeit. Und kurioserweise öffnet sich das hiesige Sichtfenster für den bislang nur südlicheren Beobachtern zugänglichen Kometen just zu Weihnachten, mit der besten Show dann im Januar.

Die letzten Helligkeits-Schätzungen geben Lovejoy in den letzten Tagen um 5.5 mag., unter dunklem Himmel wird er bereits seit einer Woche mit dem bloßen Auge gesichtet („Komet C/2014 Q2 (Lovejoy) jetzt für’s bloße Auge sichtbar!“), und Astrofotografen genießen den strukturreichen Plasmaschweif (Bilder in „Komet 15P/Finlay …“), der sich ständig verändert: Die Bilder hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier zeigen ihn gestern mit verschiedenen Optiken. Die kommenden Wochen beschreiben z.B. Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier sowie dieses detaillierte PDF, die mit Aufsuchkarten aller Art aufwarten – aber hier ein übersichtlicher Fahrplan, gerechnet für Bonn. Nach den Erfahrungen mit dem – 2 mag. helleren – Kometen PANSTARRS von 2013 (und ersten südeuropäischen Ergebnissen mit Lovejoy) wird eine Mindesthöhe von 5° über dem Horizont ‚verlangt‘. Die schafft Lovejoy zum ersten Mal knapp in der Nacht 22./23. Dezember (die beste Sicht ist im Dezember immer gegen Mitternacht MEZ), und die 7°-Marke wird erstmals in der Weihnachtsnacht 24./25. Dezember geknackt.

Erstes Sichtfenster – 24. bis 29. Dezember 2014: Lovejoy wandert aus der Taube (lernt man dieses Sternbild auch mal kennen) in den Hasen südlich des Orion, die Kulminationshöhe steigt von 8° auf 13°. Mit einer Sonnen-Elongation von fast 130° steht der Komet in Rektaszension praktisch in Opposition zur Sonne, so dass die beste Beobachtungszeit gegen Mitternacht liegt; in der letzten Nacht geht der zunehmende Halbmond unmittelbar vorher unter, vorher stört gar kein Mond. Die Helligkeit Lovejoys dürfte zuletzt nahe 5.0 mag. liegen: bei der noch geringen Höhe vermutlich ein Feldstecherobjekt.

Mond-Pause – 29. Dezember 2014 bis 7. Januar 2015: Obwohl sich die Sichtgeometrie Lovejoys mit der fortwährenden Nordbewegung des Kometen dramatisch verbessert, gibt es eine gute Woche lang keine Intervalle mit Lovejoy über und dem hellen (am 5. Januar vollen) Mond unter dem Horizont, was aber zumindest Astrofotografen nicht aufhalten sollte. Die Kulminationshöhe des Kometen, der vom Hasen weiter in den Eridanus zieht, steigt nämlich auf 35°, wobei die höchste Stellung zuletzt schon gegen 22:00 MEZ erreicht wird. Und die Helligkeit dürfte bis auf 4.6 mag. steigen.

Zweites und bestes Sichtfenster – 7. bis 27. Januar 2015, fast drei mondlose Wochen mit dem Kometen in Stier, Widder und Dreieck und der Elongation immer noch über 100°: Während Lovejoy um dem 9. Januar mit etwa 4.5 mag. seine größte Helligkeit erreichen dürfte, steigt die Kulminationshöhe immer noch, auf 40° an diesem Tag, 50° am 13. Januar, 60° am 17. Januar und 70° am 23. Januar. Dabei rückt die höchste Stellung auch noch in immer frühere Abendstunden, um an diesem Tag das Ende der Dämmerung zu erreichen. Und ebenfalls am 23. Januar taucht auch der noch zunächst schmale Mond wieder auf: Falls er zu sehr stört, kann noch einige Tage lang immer später in der Nacht nach seinem Untergang beobachtet werden, da Lovejoy erst gegen 2:00 MEZ unter der 5°-Höhe sinkt. Seine Helligkeit dürfte dann auch wieder knapp unter 5.0 mag. gesunken sein.

Keine mondlosen Intervalle gibt es anschließend bis zum 6. Februar 2015, wenn der vielleicht 6.0 mag. helle Komet nach Ende der Abenddämmerung immer noch 70° hoch – jetzt in der Andromeda – steht: Das dritte dunkle Fenster dauert dann bis zum Monatsende, wenn der in den Perseus weiter gezogene Komet auf rund 7.0 mag. gesunken sein dürfte. Aber jetzt heißen wir das kosmische Weihnachtsgeschenk erst einmal willkommen – mit einer „handgemalten“ und nicht besonders präzisen Horizont-Karte, die Stuart Atkinson in ein eigenes Foto gezeichnet hat und die das erste Sichtfenster und die Mondpause umfasst. Danach, so darf gehofft werden, ist Lovejoy so auffällig, dass man gar keine Karten mehr braucht und der Fahrplan hier schon ausreicht, um ihn zu finden … [Daniel Fischer]

Zu Besuch bei Philaes Freunden in Köln – einen Monat danach

Am Rande von Dreharbeiten vor dem Lander Control Center im MUSC des DLR in Köln, wo letzten Monat die Landung Philaes überwacht wurde, ein paar Impressionen (größere Bilder hier, hier und hier) des weitgehend verwaisten Kontrollraums, …

… der dortigen Glücksbringer, die immerhin teilweise „funktioniert“ haben, …

… diverser mysteriöser Kurven auf den vielen weiter aktiven Displays von heute (oben) und der Landetage (deren Skala in °C war), …

… 1:1-Modellen von Philae und dem viel kleineren Asteroidenlander MASCOT, …

… dem elektrischen Bodenmodell von Philae, mit dem Prozeduren in echt durchgespielt werden können, …

… und dem MASCOT-Logo, das bereits neben dem Philae-Kontrollraum hängt, der 2018 auch für diesen Lander zuständig sein wird:

[Daniel Fischer]

Welcome Home, Alex – in der Bonner Bundeskunsthalle!

Schon seinem Start hatte man ein regelrechtes Volksfest in Köln gewidmet, und auch zur Rückkehr von Alexander Gerst nach einem halben Jahr im Orbit ließ sich die deutsche Raumfahrt nicht lumpen: Einen knappen Monat nach der Landung in Kasachstan („Alex Gerst und Co. sind bereits auf der Rückreise …“) hieß es in der Bundeskunsthalle in Bonn gestern Abend „Welcome Home“ – wo Gerst zunächst, unter Ausschluss der Öffentlichkeit aber von einem Pressetross, Gewinnern eines Radio-Preisausschreibens und u.a. dem DLR-Chef Johann-Dietrich Wörner (oben, rechts) und dem ersten deutschen Raumfahrer Sigmund Jähn (davor) begleitet, einen Blick in die aktuelle Ausstellung „Outer Space“ werfen und dabei auch mal in das Kugel-Planetarium mit den 30’000 Sternen steigen konnte. Dort würde er gerne mal – mit einem Glas Wein – übernachten, ließ er wissen.

Mehrere Mini-Pressekonferenzen in der Ausstellung – in die Gerst die ins All mitgenommene „Bundesbiene“ leider noch nicht wieder zurück bringen konnte. Auch er wurde erst einmal wieder „versteckt“, während im sich mit rund 300 Gästen – darunter viel deutsche Raumfahrtprominenz, inklusive des Philae-Chefs S. Ulamec! – füllenden Kunsthallen-Foyer die Kometen rockten.

Auch während der ersten halben Stunde des Bühnenprogramms ließ sich Gerst noch nicht blicken: Stattdessen traten – nach dem Kunsthallen-Direktor Rein Wolfs – immerhin sechs andere deutsche Astronauten auf, angeführt von Jähn und seinem westlichen Gegenstück Ulf Merbold.

Es war dann allerdings an Wörner, der den Auftritt sehr zu genießen schien und demnächst wohl einen ungewöhnlich volksnahen ESA-Generaldirektor abgeben wird, …

… Gerst auf die Bühne zu bitten, begleitet von tosendem Beifall. (Viele weitere Bilder dieses Bloggers gibt es auch hier, hier und hier und Bilder anderer hier, hier, hier und hier sowie einen Artikel und ein TV-Interview am Rande.)

Nun waren’s schon 7 der 11 (bzw. 10 lebenden) deutschen Raumfahrer auf der Bühne – und auch weitere Manager von Gersts Mission durften sich feiern lassen, so Volker Schmid (der zugleich übrigens Science-Fiction-Autor ist, aber das wurde nicht erwähnt). Gerst selbst gab ein paar mehr oder weniger bekannte Anekdoten seiner Mission zum Besten (etwa von einer brachialen Reparatur mit Hilfe von Rasierschaum, damit keine Splitter davon flögen) – und verblüffte viele wohl mit seinem Statement, der Aufenthalt auf der Raumstation sei viel einfacher gewesen, als er es sich vorgestellt hatte. Der Mensch könne halt viel mehr als er selbst oft glaube: Diese Erfahrung hatte er bereits – als Geophysiker in lebensfeindlicher Wildnis – in einem früheren Leben gemacht. Aber das ist für absehbare Zeit vorbei: Noch ist Gersts Terminkalender randvoll, mindestens bis zu einer großen Tour mit der gesamten Soyuz-Besatzung kommendes Frühjahr. Und er bleibt auch bei der ESA im Astronautenteam – um vielleicht eines Tages mit der Orion auf richtig große (Raum-)Fahrt zu gehen. Und dann steht er womöglich in gut zehn Jahren wieder auf der Bühne der Bundeskunsthalle, ein Stück Asteroid im Arm, das er eigenhändig abgesäbelt hat. Mit einem Leatherman und Rasierschaum … [Daniel Fischer. NACHTRÄGE: ein Bericht der BKH selbst, ein kompletter Amateur-Film und Soundbites vom Abend]