Archiv für den Monat Mai 2016
Kosmisches Quartett: Vollmond, Mars in Opposition, Saturn & Antares
Die Konstellation in der Nacht 21./22. Mai war vielfach „beworben“ worden, z.B. hier, hier, hier und hier für Europa und hier für die USA: ein schiefes Viereck aus dem Vollmond (erreicht am 21. um 23:14 MESZ), dem Mars in Opposition (am 22. um 13:11 MESZ), dem Saturn und dem ‚Gegenmars‘ Antares. Eine nächtliche Wanderung gegen 2:00 MESZ in Witten-Herbede zwecks Verbesserung des Horizonts brachte die vier nacheinander zum Vorschein (vom Mond im Uhrzeigersinn Mars, Antares und Saturn): Die ersten zwei Bilder entstanden freihändig, die anderen zwei mit der Kamera auf einer Mülltonne balancierend. Auch interessant – der „Voll“-Mond zeigt eine deutliche Phase mit Terminator-Kratern im Süden, da er derzeit weit nördlich der Ekliptik unterwegs ist, die Saturn und Mars ungefähr an den Himmel zeichnen:
[Daniel Fischer. NACHTRÄGE: zwei Bilder größer und ein weiterer Artikel zur kosmischen Lage]
Was ich beim Merkurdurchgang 2016 gelernt habe
Neues über den Merkur an sich, die Dimensionen des Sonnensystems oder sonst etwas Astrophysikalisches gehörte nicht zu den Lektionen, die aus einem neunstündigen Live-Event im & am Planetarium Bochum zum gestrigen Merkurtransit – über das auch ‚live‘ hier berichtet worden war – gezogen werden können. Aber eine Menge über praktische Astronomie, die Durchführung öffentlicher Beobachtungen und minimal notwendige Methoden, wenn es um „Kleinkram“ auf der Sonne geht, den weder SoFi-Brillen noch Projektion per Lochkamera zeigen können, die nur die Sonnenfinsternisse, Venus-Transite und große Flecken geeignet sind.
- Um größere Besuchergruppen gleichzeitig „unterhalten“ zu können, ist Sonnenprojektion das ideale Beobachtungsverfahren (Bilder 1, 2 und 5): Alle haben einen mehr oder weniger guten Blick auf das große Bild, an dem auch direkt etwas gezeigt werden kann. Zum Beispiel beim ‚Zelebrieren‘ des Merkur-Eintritts.
- Um dabei Sicherheitsrisiken durch versehentlich dem projizierenden Okular zu nahe kommende Besucher-Kleidung, -Finger oder gar -Augen zu verhindern, kann über das Okular eine Pappröhre gestülpt werden (Bilder 2 und 5), die die Projektion nicht be- aber jede Annäherung an die ‚Augenlinse‘ verhindert.
- Projizierte Sonnenbilder eignen sich auch für das Ablichten mit Kameras aller Art, wovon die Besucher in Bochum regen Gebrauch machten (Bild 2). Allerdings versagt oft der Autofokus: Da hilft es, entweder mit dem Finger auf das Motiv zu zeigen (Bild 4) oder auf den Rand des Projektionsschirms scharf stellen zu lassen und dann zum Objekt zu schwenken.
- Als ebenfalls sehr gut für öffentliche Beobachtungen des Transits geeignet erwies sich ein PST (Bilder 5 und 6) – aber nicht in der H-Alpha-Linie, sondern so weit daneben, dass alle Chromosphärenstruktur verschwindet und nur (knallrot und deutlich heller) die Photosphäre zu sehen ist: Gegen sie zeichnete sich der Merkur brilliant ab. Auch bei sehr tief stehender Sonne (Bild 6): Die Rötung und Dämpfung der Sonne durch die zunehmende Extinktion, die irgenwann zu einem Verschwinden des projizierten Bildes führt, schlägt kaum zu.
- Ideal war die Verwendung eines Zoom-Okulars für das PST: Je nach Bildhelligkeit und – durch schwankende Bewölkung modulierten – Kontrast konnte die Bildgröße optimal angepasst werden. Wobei der Merkur dann immer in einem bestimmten ’sweet spot‘ am deutlichsten zu sehen war. Auch in nur noch ca. 4 Grad Sonnenhöhe (Bild 6) war der Anblick famos – trotz nur 40 mm Öffnung und hoher Vergrößerung!
- Auch für das PST sind Smartphones (und Kompaktkameras mit kleinen Objektiven) als ‚Photonen-Schnorrer‘ geeignet, im Gegensatz ’normalen‘ Kameras: In direkter Tuchfühlung mit der Augenmuschel erfassen die Mini-Optiken einen größeren Teil des Gesichtsfeld, und ein paar Besuchern gelang so tatsächlich die Abbildung Merkurs.
- Ein preiswertes Fernglas genügt ohne Weiteres, um den Merkur klar sichtbar zu machen: entweder in Projektion, wie bereits im Vorfeld Experimente mit einem Sonnenfleck nahegelegt hatten – das ging sogar freihändig. Oder man montierte – sicher und ohne Licht-Lecks natürlich! – eine Polymer-SoFi-Brille vor ein Objektiv (und klebte das andere zu): Das gab bei einem 10×50 ein gestochen scharfes Bild mit sehr auffälligem Merkur.
- Besagte SoFi-Brille war auch für die Fotografie der halbwegs hoch stehenden Sonne mit einer simplen Kamera – hier einer alten Lumix FZ-48 – gut geeignet (Bild 3), wobei sich der knackscharfe Merkur besser als mancher Sonnenfleck ähnlicher Dimension durchsetzte. Seltsamerweise funktionierte eine Black-Polymer-Brille (der helleren, alten Art) diesmal besser als eine Aluminized-Mylar-Brille, sonst ist es oft umgekehrt. Bei nur noch wenige Grad hoch stehender Sonne waren allerdings alle SoFi-Brillen zu duster für gute Bilder: Dann lieferte „fotografische“ Sonnenfolie die besten Resultate (Bild 7).
- Auch eine frappierende Erkenntnis über die Erdatmosphäre lieferte der Merkurtransit 2016: Beim Eintritt war in großer Sonnenhöhe das Seeing ziemlich schlecht gewesen (wozu auch die notwendige Beobachtung über Teile des Planetariumsgebäudes hinweg beigetragen haben mag) – aber am Spätnachmittag war die Luftruhe bei nur halb so hoher Sonne dramatisch besser. Der Merkur war jetzt ein scharfes rundes Scheibchen und der Sonnenrand glatt(Bild 4), und viele ’neue‘ Flecken wurden sichtbar. Also: Die Sonnenhöhe ist für ein überzeugendes Bild viel weniger wichtig als andere Faktoren.
All diese technischen ‚Errungenschaften‘ verblassten aber vor der Begeisterung vieler der Besucher, die mitunter im Laufe des Tages mehrfach wieder kamen und in einigen Fällen auch eine der beiden anderen öffentlichen Beobachtungen in Bochum aufgesucht hatten: Die „Bedeutung“ des Ereignisses, das weniger durch seine visuelle Dramatik als seine große Seltenheit auffällt, wurde regelrecht aufgesogen. Auch die kosmischen Dimensionen, die in dem Live-Transit-Bild stecken, wurden goutiert Der heutzutage wichtige ‚Event-Charakter‘ stellte sich bei den meisten ganz von selbst ein – und mit am häufigsten wurde gefragt, wann’s denn das nächste Mal was zu sehen gäbe … [Daniel Fischer]
Jede Menge Links zum Merkur-Durchgang am 9. Mai, laufend aktualisiert
Dreizehn Jahre sind seit dem letzten Durchgang des Planeten Merkur vor der Sonnenscheibe vergangen, der in Europa sichtbar war (Bild oben vom Swedish 1-m Solar Telescope der Royal Swedish Academy of Sciences), und 9 1/2 Jahre seit dem letzten überhaupt (ein Video von MDI auf dem ESA/NASA-Satelliten SOHO und ein Bild vom Solar Optical Telescope auf dem JAXA-Satelliten Hinode) – entsprechend groß ist das Interesse am nächsten Fall am Montag, den 9. Mai 2016, der zumindest in Westeuropa und gerade eben noch Deutschland wie der 2003-er komplett zu sehen sein wird. Eine Sammlung von Links nach Kategorien (Zuordnung nicht immer ganz eindeutig, laufend aktualisiert bis zum 9. Mai).
- Portale zum Transit und allgemeine Press Releases: Astronomie.de, Merkurtransit.de, VdS, AstroInfo, AstroShop, Planetarium Hamburg, WAA, Kuffner-Sternwarte, Dangl, VSW Hannover, EclipseWise, BAA (mehr), RAS, Earth & Sky, Astron. Soc. India, EuroPlanet, Sky & Tel., ESA, Time & Date, Franklin Inst., Naked Eye Planets, AwB, Jubier, Armagh, Simulation Curriculum [alt.], Sun-Earth Day, iSci, Pic du Midi und Planetarium Madrid.
- Pressemitteilungen mit Wissenschafts-Plänen: von der NASA zu Beobachtungen mit Sateliten und vom Williams College und vom AIP Potsdam zu Beobachtungen am Boden. Airbus D & S benutzt derweil den Transit, um Werbung für BepiColombo zu machen, die NASA sieht diverse teachable moments, und die ESA, die Astronomers w/o Borders und Udo Backhaus schlagen für den Transit didaktische Experimente vor. Und es gibt einen Aufruf, mit dem Transit den Sonnendurchmesser zu bestimmen.
- Listen öffentlicher Beobachtungen und ausgewählte Ankündigungen: Listen alphabetisch, nach Postleitzahlen, im Raum Brandenburg, in Norddeutschland, in Berlin, in Wien, in Indien und international (mit einer Karte) und Einzel-Events am Planetarium Bochum (Tests hier und hier), dem AIRUB Bochum, der VSW Bonn, auf dem Drachenfels, an der TU Berlin, der FSU Jena, beim Astronomieverein Halle, in Bromberg in Niederösterreich, der OU Milton Keynes, UK, der Sternwarte Greenwich, London, UK, Avebury, UK, Hanwell Obs., UK, dem Planetarium Madrid, Spanien, in Abu Dhabi und dem NASM, Washington, DC, USA.
- Listen von geplanten Webcasts und ausgewählte Webseiten: Listen mehrerer Webcasts hier, hier und hier, ein Media Advisory der NASA, der Webcast vom Solar Dynamics Observatory (erste Ankündigung), Feeds von GREGOR auf Teneriffa, dem SDO, Sky Live, der Global Star Party, AstroSabadell, aus Abu Dhabi, aus Bareket, Slooh, von der McMath-Pierce Solar Facility auf dem Kitt Peak, dem Community Observatory in Placerville (CA) und dem Griffith Observatory in LA und Ankündigungen von SOHO, ESA, SLOOH, Obs. de Paris, Sky & Tel., RTVE, Sternwarte Peterberg, Virtual Telescope, STARS4ALL, ESOC, InfoAstronomy und TU Berlin. Plus ein Blog einer Transit-Reise nach Teneriffa.
- Merkur-Durchgänge der Vergangenheit: von 2006 eine Detailaufnahme, eine Serien-Montage und mehr Links (Sidebar), von 2003 Amateurbeobachtungen hier, hier und hier, Bilder von GONG (mehr hier, Seite 42) und weitere Links hier und hier, von 1999 ein Paper zum Schwarzen Tropfen, von 1970 ein Zeitungsartikel aus der Stadt, wo das Fernrohr erfunden wurde, und viele Links, zu 1957 kaum was, zu 1924 eine Zusammenfassung, zu 1878 viele Berichte, zu 1845 eine Zusammenfassung, zu 1832 Papers hier, hier und hier und eine Zusammenfassung, zu 1786 kurze Notizen, zu 1753 eine Zusammenfassung, zu 1740 ein Paper, zu 1707 eine Zusammenfassung, zu 1661 eine Zusammenfassung, zu 1631 ein langes Paper und noch mehr Geschichte hier und hier.
- Artikel zum Transit: in Deutsch hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier sowie eine PM des LWL, in Englisch hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, in Spanisch hier, hier, hier, hier, hier und hier, in Französisch hier, in Rumänisch hier und hier, auf Portugiesisch hier, auf Katalanisch hier und auf Indonesisch hier.
Und dann waren da noch ein Online-Rechner für die Kontaktzeiten Merkurs bei nicht nur diesem Transit, die Häufigkeit simultaner Transite, der Quarter Million Year Canon of Solar System Transits, eine interaktive Weltkarte und der genaue Weg Merkurs über die Scheibe jetzt, ein Vergleich der Größe Merkurs mit dem Riesen-Sonnenfleck vom April, 10 Fakten zum Transit, neckische Infografiken, wie man den Transit beobachten und besser nicht betrachten sollte, Videos zur Technik von der Society for Popular Astronomy, der Open University, der BBC und AstroViews, Experimente und Gedanken dieses Bloggers, ein HangOut von EuroPlanet, ein Heft der GDP, ein Trickfilm von EuroPlanet, ein Mini-Video und weitere Visuals der NASA – und dann war da noch ein NASA-Video mit großen Mängeln (der Text-Content), wie auch hier und hier angemerkt wurde: Nach den Protesten hat die NASA diese korrigierte Fassung publiziert. [Daniel Fischer]