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Meine erste Sichtung von Komet ISON

Komet ISON am 16.11.2013; Christoph Malin

Nein, das ist kein Foto aus dem Bonner-Sterne-Land, denn während ich um 6:00 MEZ für meine erste ISON-Beobachtung nur das Fenster öffnen brauchte, musste der österreichische Astrofotograf Christoph Malin erstmal dem Nebel entkommen und suchte einen Beobachtungsplatz auf 1.800 Metern in den Zillertaler Alpen auf. Das Foto zeigt den Kometen ziemlich genau an der selben Position, wo ich ihn am gestrigen Samstagmorgen kurz vor der Dämmerung auch sah. Ausgehend von Spika, Hauptstern in der Jungfrau und im nebenstehenden Bild als hellster Stern dicht über dem Gebirgskamm zu sehen, konnte ich den Kometen einfach mit dem 10×50-Fernglas ausmachen. Zuerst suchte ich rechts oberhalb etwa zwischen 1 und 2 Uhr von Spika nach einem diffusen Objekt, dann fand ich ISON auch endlich mit einem aufällig hellen und ziemlich kompakten Kometenkopf. Mitte der Woche gab es einen plötzlichen Helligkeitssprung, so dass ISONs Koma am Donnerstagmorgen erstmals mit bloßem Auge gesichtet wurde, wie beispielsweise in Aachen. Vermutlich sind zwei oder mehr Fragmente vom Kern abgebrochen, wodurch der Helligkeitsausbruch ausgelöst wurde. Die Helligkeit des kompakten Kometenkopfes schätzte ich auf gut 5,5mag, andere Beobachter gaben seine Helligkeit mit etwa 5,0mag an. Wackelte man ganz leicht mit dem Fernglas – das sog. Field Sweeping – tauchte sogar indirekt sichtbar ein geschätzt 0,5 bis 1 Grad langer Gasschweif auf, der sich schwach vom Himmelshintergrund abhob und genau in die Gegenrichtung der Sonne zeigte. So sah ISON in meinem 10×50-Fernglas tatsächlich wie eine Art Mini-Komet aus.

Weitere ISON-Bilder vom 16. November gibt’s übrigens hier bzw. hier (ebenfalls aus Österreich) und außerdem ist hier noch ein ISON mit detailiertem Gasschweif vom Kahlen Asten zu sehen. [Nico Schmidt]

Noch sieben Wochen bis zur großen* ISON-Show

* Alle die Zukunft betreffenden Angaben zu ISON – außer zur reinen Bahn-Geometrie des Kometen – natürlich ohne Gewähr … 😉

Heute sind es noch genau 49 Tage bis zum Beginn der einen Woche, in der der seit einem Jahr mit Spannung erwartete Komet C/2012 S1 (ISON) eine beachtliche Erscheinung am Himmel werden könnte, wenn er sich drei Tage nach dem extrem sonnennahen Perihel ab dem 1. Dezember wieder aus der Morgendämmerung schält und bevor er sich schon wieder abgekühlt hat. Derzeit hat ISON ziemlich genau 10 mag. (oben ein Bild von Michael Jäger von heute Morgen aus den Bergen) und folgt damit ziemlich gut der Ephemeride hier – und auch dem in diesem Blog vor 5 Monaten erschienenen „Fahrplan“. Von einem nahen Ende des Kometen, das ihm seit Monaten unterbelichtete Webseiten oder auch ein kurioser Astronom in Kolumbien andichten wollen, kann keine Rede sein, denn keines der drei Indizien für einen Zerfall des Kerns ist da: Weder hat sich die Lichtkurve (mittlere Grafik: nur zuverlässige Helligkeits-Meldungen) abgeflacht, noch sieht man bei hoher Vergrößerung Splitter neben dem Kern fliegen, noch weicht dessen Bahn durch nichtgravitative Kräfte von einer rein Kepler’schen ab, was bei einem Aufbrechen in Kleinteile der Fall wäre.

Die anfängliche Lichtkurve ISONs war tatsächlich erklärungsbedürfig, stieg die Helligkeit des Kometen doch in der ersten Jahreshälfte 2013 kaum an: Das hatte auch unter Kometen-Profis für Verwirrung gesorgt („Ist Komet ISON etwa nur ein eisarmer Klumpen aus Staub?“). Doch eine Erklärung für die erst steil angestiegene und dann flach gewordene Lichtkurve könnte ein viele Monate dauernder Ausbruch eines sehr flüchtigen Gases wie CO sein, der auf einer normalen Entwicklung drauf saß und nun vorbei ist: Dieses Szenario wurde bereits Anfang August auf einem ISON-Workshop präsentiert (oberste Grafik & Text darunter) und danach auch in diesem Paper. Der lange Ausbruch dauerte demnach von Ende 2011 – man fand ISON-Bilder von bis zu einem Jahr vor seiner Entdeckung – bis Juni 2013, mit einem Maximum im Januar 2013. Seither steigt die Helligkeit ISONs wieder normal weiter – wobei man sich übrigens nicht von den Datenwolken in Darstellungen wie hier oder hier irritieren lassen darf: Die vielen „zu niedrigen“ Datenpunkte stammen von CCD-Fotometrie mit kleinen Blenden oder sind erratische Abfallprodukte von Astrometrie-Software. In der Regel gibt die obere Hüllkurve den wahren Helligkeitsverlauf wieder: eine Erkenntnis schon aus Halley-Tagen

Um zuverlässige Helligkeitswerte ISONs bemüht sich auch Kometen-Altmeister Zdenek Sekanina in einem neuen ‚lebenden‘ Paper von dieser Woche, das nun im Zwei-Wochen-Rhythmus aktualisiert werden soll: Er hat die Helligkeits-Meldungen seit August 2013 (also nach Ende des postulierten CO-Ausbruchs) auf Standard-Beobachter geeicht – und in der zweiten Grafik mit der Helligkeit von C/1962 C1 (Seki-Lines) gemeinsam aufgetragen. Der wurde mit vielleicht bis -2.5 mag. einer der hellsten Kometen seit 1935 und einer der hellsten von 1800 bis 2000 – und hatte mit 3.4 Sonnendurchmessern eine ISON (mit 1.3) ähnlichere Periheldistanz als jeder andere bekannte Frisch-Komet aus der Oortschen Wolke: Noch scheint ISON auf seiner Spur wandeln zu wollen, wobei der extreme Anstieg Seki-Lines‘ beim Perihel z.T. durch Vorwärtsstreuung des Sonnenlichts am Kometenstaub zustande kam. Aber die blüht ISON auch, mit sogar noch krasseren Phasenwinkeln um 125°. Und erfreulich wenig gemein hat ISON mit dem Kometen C/2002 O4 (Hönig), ebenfalls ein Neuzugang aus der Oort-Wolke, der sich im Perihel einfach auflöste und das schon in größerem Sonnenabstand.

Weiteren Grund zu Optimismus geben neue Erkenntnisse zum Kern ISONs – sowohl beobachtender wie theoretischer Natur. So hat sich der von Hubble am 10. April beobachtete Staub-Jet Richtung Sonne während der 19 Stunden damals überhaupt nicht verändert und lässt sich auch auf Aufnahmen vom Erdboden aus bis heute nachweisen: Stets zeigt er genau auf die Sonne. Daraus lässt sich schließen, dass er an einem Pol des Kerns sitzt und dieser wiederum Richtung Sonne zeigt – und daraus folgt wieder, dass just an den Tagen um’s Perihel erstmals die andere Hemisphäre in der Sonne sein wird: mit frischem Eis, das ganz plötzlich ganz heiß wird. Was das für das Überleben des Kerns bedeuten würde, ist schwer zu sagen – aber detaillierte Computersimulationen von Kometenkernen haben gezeigt, dass ISONs für den Großteil typischer Eigenschaftswerte wie Durchmesser, Dichte und Rotationsrate (die alle noch unbekannt sind) ziemlich gute Chancen haben sollte: Zumindest die Gezeitenkräfte beim Vorbeischießen an der Sonne sollten ihm wenig abhaben können. Nach einer weiteren Studie ist allerdings anzunehmen, dass die Aktivität in Perihelnähe das Rotationsverhalten von ISONs Kern stark verändern wird, was immer das für Folgen haben mag.

All die genannten Erkenntnisse zusammen lassen hoffen, dass ISONs Kern im und unmittelbar nach dem Perihel ein Feuerwerk veranstaltet – und dabei einen ordentlichen (Staub-)Schweif produziert: Weil der Komet von der Erde aus gesehen von der 3. November- bis 1. Dezember-Woche sehr sonnennah stehen wird, wird seine Koma selbst bei Erreichen 0. Größe kaum zu sehen sein (wie etwa dieser Test am Merkur beweist). Hilft nur, schon bei tieferer Dämmerung zu beobachten, mit der Koma unter dem Horizont aber dem Schweif – hier simuliert – darüber an dunklerem Himmel … Noch neun bookmarkenswerte Webseiten: das ISON-Büchlein u.a. dieses Bloggers komplett online (mit vielen Karten & Grafiken!) / ein lebendiges britisches ISON-Blog (mit zahllosen Grafiken) / die ISON-Kampagne (zuverlässigste Infos) / drei ISON-Portale hier, hier und hier / das News-Blog dieses Autors (kometenlastig) / noch ein ISON-News-Blog v.a. mit Bildern / eine organisierte ISON-Galerie (im Aufbau). Und fünf Vorträge dieses Bloggers zu ISON gibt es am 19.10. in Osnabrück, am 23.10. in Herne, am 18.11. in Bonn, am 20.11. in Bochum und am 27.11. in Berlin. Einen Tag vor dem Perihel … [Daniel Fischer]

Fahrplan für Komet ISON auf 50° Nord

Die Sichtbedingungen für den sehnlich erwarteten Kometen verändern sich rund um sein Perihel in einem halben Jahr immer wieder auf’s Neue – ein Blick in 11 „Kapiteln“ auf die unterschiedlichen „Fenster“ für 50° Nord (und ungefähr gültig für den gesamten deutschen Sprachraum Europas), basierend meist auf dieser Tabelle, die gleich drei aktuelle Helligkeitsmodelle auflistet, von denen hier überwiegend das „mittlere“ zugrunde gelegt wird; zahlreiche Horizontgrafiken vom Kometen mit anderen Himmelsobjekten sind hier zu finden:

  • Anfang August bis Ende Oktober taucht der Komet nach Konjunktion mit der Sonne – minimale Elongation: 4.6° am 15. Juli – wieder am Morgenhimmel auf und ist ein teleskopisches Objekt, das von 13. auf vielleicht 8. Größe steigt. Eine akzeptable Höhe vor Beginn der Morgendämmerung wird Anfang September erreicht und steigt von dann 10 auf schließlich 30 Grad bis Ende Oktober, wenn die Sonnenelongation mit bis zu 53° maximal wird.

  • In den ersten zwei November-Wochen gehen die Elongation auf 38° und die Morgenhöhe bei Dämmerungsbeginn auf 12° zurück, während ISON von 7. auf 5. Größe steigt und ein Feldstecher-Objekt geworden sein sollte. Der Mond stört die gesamte Zeit nicht: Dies ist mithin das beste „normale“ Sichtfenster vor dem Perihel, mit dem Kometen akzeptabel hoch an dunklem Himmel. (Dass er am 3. November während der totalen Sonnenfinsternis am afrikanischen Totalitätshimmel sichtbar wird, ist reichlich unwahrscheinlich.)

  • Vom 15. bis 25. November stürzt die Elongation auf 14° ab, und der Komet tritt erst während der Morgendämmerung nennenswert über den Horizont – während gleichzeitig die Helligkeit vermutlich noch kaum heller als +2 mag. liegen dürfte: ISON ist damit ein schwieriges bis unmögliches Objekt, dessen erneutes Erscheinen am Himmel ganz von der Zunahme der Helligkeit bei Erreichen des sehr sonnennahen Perihels am 28. November abhängt. Und erst recht davon, ob und wann sich bereits vor dem Perihel ein substanzieller Staubschweif ausbildet.

  • Vom 26. bis 28. November sollte ISONs Helligkeit steil ansteigen und negativ werden, was ihn bei Sonnenaufgang auf dem Horizont sitzend erscheinen lassen könnte; ein eventueller flächenheller Staubschweif ginge schon vor der Koma, deren Sonnenenlongation von 11 auf 5° schrumpft, in der stärker werdenden Morgendämmerung auf. (Zugleich erreicht der Phasenwinkel mit 110° ein lokales Maximum, aber ob dies durch Vorwärtsstreuung Koma und Schweif nennenswert aufhellen kann, ist unklar.) Je nach Helligkeitsentwicklung und Himmelstransparenz mag ein Nachweis der Koma am Taghimmel mit technischen Tricks nicht ausgeschlossen sein.

  • Am 28. November tagsüber könnte es möglich sein, dass ISON mit der richtigen Technik am Taghimmel zu finden ist, während er auf sein Perihel um 19:35 MEZ zueilt: Dann steht er 1,9 Mio. km vom Sonnenzentrum entfernt und von der Erde aus 1/2° von der Sonnenmitte bzw 1/4° vom Sonnenrand entfernt, ist aber in Deutschland schon vor mehr als 3 Stunden untergegangen. Am deutschen Nachmittag betragen der Sonnenabstand noch 5 Mio.km und der Winkelabstand etwa 2°, am Vormittag sind es 7 Mio. km und 3°: Ob – und mit welchem technischen Aufwand und v.a. Sicherheits-Vorkehrungen – ISON mit vielleicht irgendwo zwischen -5 und -10 mag. dicht neben der Sonne nachgewiesen werden kann, ist völlig unklar. Bei anderen Kometen, zuletzt McNaught 2007, gelang so etwas alle paar Jahrzehnte einmal.

  • Am 29. November geht ISON zusammen mit der Sonne auf und steht am Vormittag erneut 3° und am Nachmittag 4° neben ihr – und am Abend noch 2° hoch, wenn die Sonne untergeht: Ab jetzt gibt es im Prinzip Sichtfenster vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang, von denen das morgendliche aber noch bis in den Januar hinein das deutlich bessere bleibt. Die Komahelligkeit dürfte an diesem Tag die höchste sein, die in Europa zu erwarten ist, ein sehr spitzes Maximum, so dass der ganze Tag für – vorsichtige! – Sichtungsexperimente geeignet ist, dito die Morgen- und Abenddämmerung für eine Schweifsuche.

  • Am 30. November hat die Elongation 5° wieder überschritten, während die Komahelligkeit schon wieder gegen Null tendieren dürfte: Ab jetzt ist eher interessant, wie es nach dem Perihel um den Schweif ISONs und dessen Flächenhelligkeit und Länge bestellt ist. Bei Sonnenunter- und -aufgang steht der Komet heute jeweils 3° über dem Horizont, d.h. erneut sind beide Dämmerungen von einigem Interesse für mögliche Schweifsichtungen mit der Kometenkoma noch bzw. schon wieder unter dem Horizont, während mit einer Tagsichtbarkeit jetzt kaum noch zu rechnen ist.

  • Vom 1. bis 5. Dezember steigt die Elongation von 8 auf 18°, wärend ISON durch Skorpion und Ophiuchus zieht – nicht eben adventliche Sternbilder, aber die Sichtbedingungen v.a. morgens aber auch abends werden besser, während die Komahelligkeit von nullter auf 1. bis 2. Größe zurückgeht, der Staubschweif aber noch hell sein könnte: Dies könnte das beste Sichtfenster überhaupt werden, mit ISON als einem „zweiten West“. In den 5 Tagen steigt seine Höhe bei bei Beginn der bürgerlichen Dämmerung (Sonnendepression 6°) von 3 auf 11°, und am 5.12. steht ISON auch bei Beginn der nautischen (Depression 12°) schon 5° hoch. Während er an diesem Abend bei einer Sonnendepression von 6° immerhin noch 3° hoch steht. Auch der Phasenwinkel hat wieder zugenommen, auf 128 bis 123°: Vielleicht hilft auch das der Brillianz des Kometen.

  • Vom 6. bis 15. Dezember – die Elongation verbessert sich von 20 auf 43° – sollte ISON einfach zu finden aber nicht mehr spektakulär sein, da die Helligkeit der Koma auf etwa 4. Größe fällt. Dafür steht der Komet jetzt wieder vor Beginn der Morgendämmerung über dem Horizont, anfangs 2 und am Ende des Intervalls 23° hoch, und immer noch stört kein Mond. Die Morgenhöhe bei 12° Depression steigt von 7 auf 30°, und Abends steht ISON bei 6° Depression 3 bis 12° und bei 12° Depression zuletzt 5° hoch. Dunklerer Himmel v.a. vor Dämmerungsbeginn aber auch nach ihrem Ende könnte immer noch einen sehenswerten Schweif hervor bringen.

  • In der zweiten Dezemberhälfte gehen die Sichtbedingungen erheblich zurück, trotz ISONs immer besser Geometrie (Elongation 45 bis 93°, Höhe vor Dämmerungsbeginn 25 bis 56°, Höhe nach Dämmerungsende 1 bis 37°): Erst stört der Mond alle Dunkel-Fenster bis zum 20. Dezember, dann kann ihm zwar wegen der immer längeren nächtlichen Sichtbarkeit – ab etwa dem 23. Dezember wird ISON im Hercules zirkumpolar – immer aus dem Weg gegangen werden – aber die Kometenhelligkeit dürfte von 4. auf 6. Größe fallen: So wie PANSTARRS in den Monaten nach dem Perihel wird er jetzt (wieder) ein Objekt für Kometenspezialisten, die aber sicher noch viel aus ihm heraus holen können.

  • Im Januar 2014 liegt die Elongation über 100° (Maximum: 119° am 18.-21. Januar), ISON ist weiterhin zirkumpolar und – bald Abends besser als Morgens – am Ende bis zu 80° hoch an dunklem Himmel zu sehen. Nur leider mit einer Helligkeit, die den Monat hindurch auf die 8. bis 10. Größe absinken dürfte: Der Komet ist jetzt wieder ein teleskopisches Objekt – und man wird nun sicher wissen, ob 2013 wirklich das beste „Jahr der Kometen“ seit vielen Jahrzehnten geworden ist, zu dem es 2012 so mancher ausgerufen hatte, und ISON gar der „Komet des Jahrhunderts“ …

Noch bis in diesen Juni hinein kann ISON vor der Sonnenkonjunktion beobachtet werden, und die Lichtkurve seit Jahresbeginn macht zunehmend Kummer: Blind extrapoliert würde aus dem Kometen rein gar nichts mehr werden, aber eigentlich jeder rechnet damit, dass die Lichtkurve bald wieder anzieht. In einem Vierteljahr wird man vielleicht schon klarer sehen, wohin die Entwicklung der Komahelligkeit läuft, aber was der Schweif „vor hat“, wird sich wohl kaum vor November erweisen. PANSTARRS hat die moderaten Erwartungen an seine Helligkeit durchaus erfüllt, der Schweif aber blieb flächenschwach und kurz: Bei ISON werden wir zumindest mehr von der Seite auf ihn schauen, was allein bereits eine größere Show erhoffen lässt. Aber wie groß, das ist die Frage … [Daniel Fischer]

„Jahrhundertkomet“ ISON schon aus Bonn fotografiert

Von dem als „Jahrhundertkomet“ angekündigten Komet ISON (C/2012 S1) ist zurzeit nur ein kompaktes Objekt der 15. Größenklasse mitten im Sternbild Zwillinge sichtbar, dennoch konnte ihn Astrofotograf und Astronomie-Doktorand Alex Tudorică mit dem 50cm-Institutsfernrohr mitten aus dem lichtverschmutzten Bonn fotografisch festhalten. Auf den in der Nacht von Samstag auf Sonntag entstandenen Aufnahmen ist bereits sogar schwach ein kleiner Schweifansatz erkennbar, obwohl der Komet noch rund 5 AE – also etwa Jupiterabstand – von der Sonne entfernt ist.

Wie kürzlich berichtet gibt’s außerdem von dunklen Standorten visuelle Beobachtungsversuche und auch die NASA-Sonde Deep Impact hatte Komet ISON schon im Visier. Ob der Schweifstern jedoch tatsächlich zu dem versprochenen Sensationskometen wird, werden wir erst Ende des Jahres im November und Dezember sehen. Auf der Homepage ison2013.org gibt es übrigens einen nützlichen Tracker, der die Position des Kometen in Echtzeit anzeigt. [Nico Schmidt]

2013 – Das Jahr der Kometen

„2013 – Das Jahr der Kometen“ ist ein griffiger Slogan, dem sich auch der Autor dieser Zeilen nicht entziehen kann.
Ich habe ihn als Titel für einen Vortrag gewählt, den ich am 20.01.13 beim Bonner Planetenseminar  und am 23.02.13 beim ATH in Hückelhoven halten werde. Die Chancen, dass neben Komet ISON (C/2012 S1) im November/Dezember bereits im März mit Panstarrs (C/2011 L4) ein weiterer Komet mit bloßem Auge zu beobachten sein wird, stehen ausgesprochen gut. Wie hell diese beiden Objekte tatsächlich werden, lässt sich jedoch erst wenige Wochen vor Ihrem Perihel einigermaßen zuverlässig abschätzen. Unser Tipp ist, dass ISON an McNaught (C/2006 P1), den Großen Kometen des Jahres 2007, heranreichen könnte – mit dem Unterschied, dass wir auf der Nordhalbkugel diesmal in der ersten Reihe sitzen. Letzteres gilt auch für Komet Panstarrs, der sich in der Abenddämmerung vielleicht ähnlich wie Lovejoy (C/2011 W3) Ende 2011 präsentieren wird, allerdings mit einem kürzeren Schweif.
Zwei Große Kometen binnen eines Jahres sind sicherlich nicht allzu oft zu beobachten. Es ist aber allein im 20. Jh. dreimal passiert, nämlich 1910 (Januarkomet C/1910 A1 und 1P/Halley), 1957 (Arend-Roland C/1956 R1 und Mrkos C/1957 P1) sowie 1970 (Bennett C/1969 Y1 und White-Ortiz-Bolleli C/1970 K1). Letztgenanntes Jahr brachte mit Tago-Sato-Kosaka (C/1969 T1) und Abe (C/1970 N1) noch zwei schwächere, ebenfalls mit bloßem Auge sichtbare Schweifsterne. 1970 war also in der Tat ein Jahr der Kometen, genauso wie 2004. Zunächst traten im April/Mai fast gleichzeitig die Kometen NEAT (C/2001 Q4) , LINEAR (C/2002 T7) und Bradfield (C/2004 F4) auf, dann folgte zum Jahresende Machholz (C/2004 Q2). Keiner von Ihnen wurde allerdings heller als 2.2 mag. Die beiden letztgenannten waren Anfang 2004 noch gar nicht entdeckt. Es ist also zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls auszuschließen, dass auch 2013 ein kometenreiches Jahr wird. Abgesehen von möglichen Neuentdeckungen sind zum jetzigen Zeitpunkt bereits zwei weitere Kometen unter Beobachtung, die vielleicht mit bloßem Auge sichtbar werden könnten.

Der erste Kandidat ist C/2012 T5 (Bressi). Er wird sein Perihel am 24.02.2013 durchlaufen. Nach den derzeitigen Ephemeriden könnte er dann mit einer Helligkeit von etwa 7mag ein Feldstecherobjekt werden. Allerdings handelt es sich bei Bressi um einen Schweifstern mit sehr geringer absoluter Helligkeit. Die Erfahrung lehrt, dass die Kerne solcher Objekte sich oft um die Zeit des Periheldurchgangs auflösen. So ist es im September 2011 Komet Elenin (C/2010 X1) ergangen, dessen Kern sang- und klanglos zu Staub zerfiel. Häufiger als der Totalzerfall kommt die Teilung des Kerns in 2 oder mehrere Bruchstücke vor. Beispiele dafür sind die Kometen C/2006 M4 (SWAN) und C/2001 A2 (LINEAR). Bei beiden zogen die Teilungsprozesse Helligkeitsausbrüche von mehreren Magnituden nach sich, wodurch sie überhaupt erst mit bloßem Auge sichtbar wurden. Da nun auch Komet Bressi ein ernsthafter Kernteilungskandidat ist, könnte aus dem Feldstecherobjekt plötzlich durchaus ein mit bloßem Auge sichtbarer Schweifstern werden. Allerdings ist er in Mitteleuropa erst wieder Anfang März am Morgenhimmel sichtbar.

Etwas anders ist die Situation bei Komet Lemmon (C/2012 F6). Er ist zur Zeit 2 – 3 Größenklassen heller als von den Ephemeriden prognostiziert. Hält dieser Trend an, so wird er um die Zeit seines Periheldurchgangs Ende März 2. oder 3. Größe erreichen, also bequem mit bloßem Auge sichtbar sein. Leider werden wir davon nichts haben, weil C/2012 F6 dann soweit südlich steht, dass er in Mitteleuropa nicht über den Horizont kommt. Die zur Zeit gute Helligkeitsentwicklung gibt allerdings auch Grund zum Misstrauen, denn sie entspricht dem klassischen Szenario „neuer“ Kometen, welche erstmals aus der Oortschen Wolke ins innere Sonnensystem gelangen. Auf eine zunächst überdurchschnittliche Helligkeitsentwicklung folgt bei einer kritischen Sonnendistanz von etwa 1,5 AE oft eine Stagnation oder sogar ein Einbruch der Helligkeit. Wenn Lemmon Anfang Februar diese Distanz deutlich unterschritten hat, wird man mehr sagen können.

Ganz gleich, wieviele Kometen 2013 tatsächlich mit bloßem Auge sichtbar sein werden – es wird auf jeden Fall ein spannendes Jahr der Kometen. [Stefan Krause]