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Wenn der Lander-Mann kommt: Montagsvortrag der VSB vor überfülltem Haus
Für diesen Montagsvortrag war die Volkssternwarte Bonn extra aus dem Refraktorium in die benachbarte Alte Sternwarte Argelanders umgezogen, doch auch deren Hörsaal reichte mit 75 Plätzen bei weitem nicht, um des Ansturms Herr zu werden, als Stephan Ulamec vom DLR über die Landung von Philae vortrug: Ein großer Artikel im Vorfeld hatte enorme Wirkung entfaltet, und rund 30 Interessanten mussten am Ende draußen bleiben! Schade, denn sie verpassten eine außergewöhnlich mitreißende Präsentation des Philae-Projektleiters, die keine Sekunde lang Zweifel aufkommen ließ, dass Weltraumforschung ein Riesenspaß ist. [Daniel Fischer. NACHTRÄGE: was Ulamec zum Status von Philae zu berichten wusste plus der Bericht des Veranstalters des Vortrags]
Als Rosetta in Bad Honnef landete
Natürlich ist die Mission der europäischen Kometensonde noch im vollem Gange und das Schicksal seines kleinen Landers ungewiss – aber was man im ersten halben Jahr bei und auf Churyumov-Gerasimenko gelernt hat, konnte man Anfang Februar im Physikzentrum Bad Honnef (oben) in großer Detailfülle und vor allem aus erster Hand erfahren. Und „man“, das waren nicht nur Fachkollegen, die in den letzten Monaten auf Planetenforscher-Tagungen in fernen Ländern ähnliche Vorträge genießen konnten: Die Bad Honnefer Winterseminare, deren 20. dies schon war, sind offen für Spezialisten wie Laien gleichermaßen, eine außergewöhnliche Veranstaltungsreihe, die Kurt Roessler (2. Bild) 1995 ins Leben gerufen hat. Mal geht es um konkrete astronomische Phänomene, mal um tiefe philosophische Fragen – und das immer mehrere Tage lang ohne Hetze in der inspirierenden Atmosphäre des historischen Gemäuers der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Das 20. BHWS war mit rund 150 Teilnehmern das größte aller Zeiten und auch das aktuellste: Viele der präsentierten Bilder und Ergebnisse waren noch gar nicht formell publiziert und wurden gewissermaßen ‚eyes only‘ präsentiert, auch wenn im Publikum fleißig die Kameras klickten. Die zusammenfassenden Folien und viele Impressionen von dem überaus spannenden Seminar wurden schon hier, hier, hier, hier und hier live gebloggt, und es gibt eine Gesamtschau der neueren Erkenntnisse über den Kometen, basierend auf dem Seminar und den kurz vorher erschienenen ersten wissenschaftlichen Papers – über die viele der Vorträge in Bad Honnef aber bereits hinaus gingen! Wo übrigens jeder (!) Tag mit ausgiebiger Weinverkostung ausklang, befindet man sich doch in einem historischen (wenn auch heute wenig bekannten) Weinanbaugebiet, und Roessler selbst ist (Hobby-)Winzer. Das nächste BHWS ist bereits terminiert: für den 14. bis 16. Januar 2016 (Donnerstag bis Samstag) zu dem wahrscheinlichen Thema „Leben in extremen Umgebungen“. Bei Interesse stellt dieser Blogger gerne Kontakt zu Roessler her. [Daniel Fischer]
Zu Besuch bei Philaes Freunden in Köln – einen Monat danach
Am Rande von Dreharbeiten vor dem Lander Control Center im MUSC des DLR in Köln, wo letzten Monat die Landung Philaes überwacht wurde, ein paar Impressionen (größere Bilder hier, hier und hier) des weitgehend verwaisten Kontrollraums, …
… der dortigen Glücksbringer, die immerhin teilweise „funktioniert“ haben, …
… diverser mysteriöser Kurven auf den vielen weiter aktiven Displays von heute (oben) und der Landetage (deren Skala in °C war), …
… 1:1-Modellen von Philae und dem viel kleineren Asteroidenlander MASCOT, …
… dem elektrischen Bodenmodell von Philae, mit dem Prozeduren in echt durchgespielt werden können, …
… und dem MASCOT-Logo, das bereits neben dem Philae-Kontrollraum hängt, der 2018 auch für diesen Lander zuständig sein wird:
[Daniel Fischer]
Drei Jahrzehnte deutsche Kometenforschung live auf der Bühne
Veteranen der deutschen Kometen-Forschung vor Ort bis in die Halley-Tage zurück gaben sich gestern auf dem 26. Raumfahrt-Kolloquium an der FH Aachen – hier eröffnet von deren Rektor M. Baumann – die Klinke in die Hand, das den Bogen von den direkten Besuchen bei Kometenkernen seit 1986 bis zu den großen Erwartungen an die Rosetta-Mission spannte: Die sieben ausführlichen Vorträge erwiesen sich als geradezu komplementär zu den Präsentationen auf dem ESA-Briefing zu Rosetta zwei Tage früher und förderten manch neuen Aspekt zutage.
Den Anfang machte Diedrich Möhlmann, früher beim Institut für Planetenforschung des DLR in Berlin und noch früher eine treibende Kraft der Planetenforschung in der DDR – und immer noch aktiv: Nächstes Jahr erscheint ein Buch von ihm zur Rosetta-Mission, in dem, so Möhlmann geheimnisvoll zu diesem Blog, auch Wurzeln der aktuellen Mission in der DDR aufgezeigt werden sollen.
Auf eine fulminante Reise zu den fünf Kometenkernen, derer im Vierteljahrhundert 1986 bis 2010 Sondenkameras aus der Nähe ansichtig wurden, nahm Horst Uwe Keller (jetzt TU Braunschweig) das Publikum mit, der selbst die Kamera von Giotto konstruiert hatte – für die mehr Software erforderlich war als für die Sonde selbst und alle anderen Instrumente zusammen, musste sie noch von einem rotierenden und 70 km/s schnellen Raumfahrzeug aus auf den Kometenkern nachführen. Der Erkenntnisgewinn von Mission zu Mission war groß, aber die offen gebliebenen Fragen – v.a. zum Innenleben und Verhalten der Kometenkerne – sind es auch.
Eine völlig andere Perspektive auf moderne Planetenforschung bot Klaus Wittmann, der eigentlich im Ruhestand immer noch Vorlesungen zum Management von Missionen an der FH hält – und in der Anfangsphase für jenes verwegene Projekt zuständig war, aus dem nach manchen Wirrungen der Kometenlander Philae auf Rosetta wurde: Nicht oft benutzt ein (ehemals führender) Manager eines laufenden Raumfahrtunternehmens das Adjektiv „chaotisch“ in einem öffentlichen Vortrag, verschwanden doch immer wieder Projektpartner und traten neue dem Konsortium bei.
Wie auch Keller betonte Martin Hilchenbach (MPI für Sonnensystemforschung), dass sich die wissenschaftlichen Fragestellungen für Rosetta verschoben haben, seit insbesondere die von Stardust mitgebrachten stark erhitzten Kometen-Staubteilchen bewiesen, dass keineswegs nur unveränderte Urmaterie des Sonnensystems in Kometenkernen zu finden sein wird – namentlich denjenigen der Jupiter-Familie, die sich wegen ihrer bekannten Bahnen und häufigen Wiederkehr als einzige für Sondenbesuche eignen.
Koen Geurts vom DLR in Köln, wo wesentliche Steuer-Aufgaben für Philae erledigt werden sollen, erläuterte die Herausforderungen der ersten Kometenlandung – wenn der Komet denn auch „feindlich“ sein muss – und die detaillierte Planung: So soll während des mehrstündigen Abstiegs des Landers tatsächlich Kontakt mit Rosetta gehalten werden.
Wiederum ein Veteran aus Giotto-Tagen – und langjähriger Mission Manager von Rosetta – war Gerhard Schwehm, der über künftige Asteroiden- und Kometen-Missionen sprach: ein gemischtes Thema, da erstere zwar von mehreren Ländern vorangetrieben (aber in den USA zunehmend in Planungen der bemannten Raumfahrt aufgesaugt) werden, während nennenswerte Kometenmissionen nach Rosetta nicht in Sicht sind.
Zum Schluss ging noch die Patin der deutschen Exobiologie, Gerda Horneck (früher DLR Köln) auf die mögliche Rolle von Kometen bei der Entstehung des Lebens hier & anderswo ein: Zumindest der Masseneintrag organischer Materie durch abstürzende Kometenkerne ist enorm, doch wann, warum und wie der Funke des Lebens zündet, ist so unklar wie eh und je. In einem Jahr wird ein Großteil der Rosetta-Mission schon Geschichte sein und sicher auch bald wieder Thema der alljährlichen Aachener Kolloquien, wo die Mission auch schon in vergangenen Jahren mehrfach eine Rolle spielte – auch das ein Zeichen für ihre Bedeutung in der europäischen Raumfahrt.
12. Dezember: Ein Rosetta-Kolloquium in Aachen
Nach einem überaus spannenden Kometenjahr 2013, das in einem unglaublichen Krimi zur Sonnenpassage von ISON gipfelte, geht es 2014 mit waghalsiger Kometenforschung weiter. Denn am 20. Januar wird die europäische Sonde Rosetta aus ihrem langen Winterschlaf geholt und soll dann im Mai – nach 10 Jahren und 2 Monaten Flugzeit – in eine Umlaufbahn um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko einschwenken und schließlich soll danach am 11. November ein dreibeiniger Lander namens Philae auf dem Kometenkern aufsetzen. Das klingt nach einer sehr spannenden Raumfahrtmission (Übersicht für 2014/2015), auch wenn es aktuell noch einige Unwägbarkeiten zu Rosetta und der ersten Landung auf einem Schweifstern gibt.
11 Monate vor der spektakulären Kometenlandung auf einem keine 5 Kilometer großen Kern ist Rosetta das große Vortragsthema des 26. Raumfahrt-Kolloquiums, das diesen Donnerstag, 12. Dezember, stattfindet. Die Fachtagung mit dem Titel „Kometen und die Mission Rosetta“ wird vom Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen veranstaltet und findet von 13 bis 20 Uhr statt. [Nico Schmidt]