Archiv für den Monat August 2013

Mai 2014: Treffen der VdS-Fachgruppe Spektroskopie

Nächstes Jahr wird’s in Köln auch außerhalb des Karnevals bunt. Denn wenn sich 2014 die Entdeckung der Fraunhoferlinien zum 200. Mal jährt, findet das Jahrestreffen des VdS-Fachgruppe Spektroskopie (Forum) in der Domstadt statt. Die VdS (Vereinigung der Sternfreunde) wurde vor 60 Jahren gegründet, ist mit mehr als 4.000 Mitgliedern der Dachverband der Hobbyastronomen in Deutschland und besteht aus 18 Fachgruppen zu speziellen Themengebieten. Vom 16. bis 18. Mai 2014 findet die jährliche Fachtagung ASpekt der Hobby-Spektroskopiker diesmal in Köln statt. Der Ort für das dreitägige Treffen, das Tagungs- und Gästehaus St. Georg, liegt nahe des Volksparks im Herzen der Südstadt und hat zusammen mit dem 115 Jahre alten Kloster Maria Hilf einen besonderen historischen Charme. Zu dem Jahrestreffen sind nicht nur Profis, sondern auch Einsteiger und Nicht-VdS-Mitglieder herzlich willkommen. Zum Tagungsprogramm ist derzeit noch nichts weiter bekannt, ein Vortragsthema wird aber mit Sicherheit die sehr helle Nova Delphini 2013 sein. Aktuell ist sie immer noch 6,3mag hell, so dass selbst Hobbyastronomen sie noch spektroskopieren können. Auch Infos zur Anmeldung werden noch folgen.

Die Spektroskopie ist das wichtigste Hilfsmittel bei der Erforschung der chemischen und physikalischen Natur der Sterne, Galaxien, Nebel und anderen Himmelskörper, und die dunklen Spektrallinien als Schlüssel zur Astrophysik wurden von Joseph Fraunhofer vor 200 Jahren entdeckt (das Bild zeigt eine Sonderbriefmarke zum 225. Geburtstag). Aus diesem Grund plant die Fachgruppe Spektroskopie für 2014 ein Sonderheft des VdS-Journals und auch in der Februar/März-Ausgabe der Interstellarum wird es über die im Licht versteckten Linien gehen. [Nico Schmidt]

5.0 mag. erreicht: eine Nova für’s bloße Auge über dem KBA-Land!

nova-bonn

Sie ist – zumindest im Suburbanen und nach ein paar Minuten Dunkelanpassung – tatsächlich mit dem bloßen Auge zu sehen, steht die ganze Nacht hoch am Himmel ist auch noch sehr leicht zu finden. Vor allem aber ist die Nova Delphini 2013 zwei Nächte nach ihrer Entdeckung in Japan mit 6.8 mag. auf 5.0 Größenklassen geklettert und hat tatsächlich den Himmel „links unterhalb“ des Schwans ein wenig verändert: Mit dem Kopf des Delfins (im Bild von heute Morgen u.l.) und dem Pfeil (u.r.) bildet sie ein Dreieck, und im Bildfeld eines größeren Feldstechers ist sie sogar das hellste Objekt überhaupt. Erst mit einem klapprigen 8×40 gelang es schließlich, auch einen helleren Stern (29 Vul mit 4.8 mag.) mit ins Feld zu holen, um die Nova zwischen einem helleren und einem schwächeren einzukeilen: Die resultierenden 5.0 mag. bestätigen auch viele andere Beobachter. Der ausgebrochene Stern ist eine klassische Nova („Spektrum passt …“), bei der ein Weißer Zwerg von einem Begleiter zu viel Materie abgesaugt hat, was zu einer thermonuklearen Explosion auf seiner Oberfläche führte: Der ursprünglich 17 mag. schwache Stern ist nun 12 Größenklassen oder 60’000-mal heller geworden. Den weiteren Helligkeitsverlauf kann nun jeder durch Vergleich mit diversen Sternen in der Nähe mit verfolgen: Astrophysik live! [Daniel Fischer]

Teilchenphysik in der Astronomie und im Ionen-Käfig

An einigen Stellen fallen zurzeit in Bonn farbige Hinweistafeln (vor dem Physikalischen Institut und zwei – u.a. am Koblenzer Tor – am Uni-Hauptgebäude) zur kommenden Sonderausstellung „Wolfgang Paul – Der Teilchenfänger“ auf. Vom 13. November 2013 bis zum 24. August 2014 kann man dann die „Welt der Atome erleben und verstehen“, wobei das Deutschen Museum Bonn damit ihre Ausstellungsreihe zu den großen Bonner Naturwissenschaftlern fortsetzt. Nach Astronom Argelander, Chemiker Kekulé und Physiker Hertz ist man mit dem Teilchenphysiker Wolfgang Paul nun im 20. Jahrhundert angekommen. Wolfgang Paul wurde am 10. August 1913 – nächsten Samstag vor 100 Jahren – in dem 300-Seelen-Dorf Lorenzkirch nahe Riesa geboren, kam 1952 in die Beethovenstadt und wurde hier Professor und Direktor des Physikalischen Instituts in der Nußallee. Dort ging 1958 sein 500-MeV-Synchrotron, der erste Westentaschen-Teilchenbeschleuniger Europas (Synchrotron mit starker Fokussierung), in Betrieb, wobei heute ein Ringsegment Teil der Dauerausstellung im Deutschen Museum Bonn ist. 1989 erhielt der Bonner Teilchenphysiker für seine Erfindung des sog. Ionen-Käfigs, nach ihm auch Paul-Falle genannt, den Nobelpreis für Physik. Damit konnten erstmals Elementarteilchen eingefangen und einzeln im Detail erforscht werden. Pauls Werk wird auch im neuen Bonner Universitätsmuseum gewürdigt.

Als Begleitprogramm zur Sonderausstellung werden u.a. Workshops für Schüler angeboten, wobei man sogar echte Kollisionsdaten aus der Weltmaschine LHC des CERN in Genf auswerten kann. Außerdem wird es unter dem Motto „Naturwissenschaft in Bonn“ voraussichtlich ab März einen Stadtspaziergang geben. Und gewissermaßen als Vorabprogramm gibt es ebenfalls im Deutschen Museum Bonn drei astronomische Vorträge aus der Reihe „Neues aus dem All“ – diesmal passend u.a. zum Thema Astroteilchenphysik:

13. September um 19:00 Uhr: „Teilchenstrahlung aus dem Weltall“

16. Oktober um 19:00 Uhr: „Maser nah und fern – Radiostrahlung von Sternen und Galaxien“

27. Oktober um 19:00 Uhr: „Die ersten Beobachtungen mit dem europäischen Radioteleskop LOFAR“

[Nico Schmidt]

Vor 100 Jahren: Als sich Hertzsprung und Russell in Bonn trafen

August 2013

August 1913 [University of Chicago Photographic Archive; apf6-04474]

 

Heute ist der im Frühjahr 1913 fertiggestellte Neubau der Bonner Physiker gut hinter Bäumen versteckt und bis auf ein Schwarz-Weiß-Foto erinnert nichts an die hier im selben Jahr stattgefundene Konferenz internationaler Astrophysiker. Die einzige erkennbare Verbindung beider Bilder ist die Fassade; dort wo das Gruppenfoto (beschriftete Version) mit den fast 100 Tagungsteilnehmern vor den Fenstern des rechten Flügels entstand, wachsen heute Büsche und ein hoher Strauch. Gestern vor 100 Jahren ging sie zu Ende: Die Tagung der als Solar Union bekannten Sonnenforscher-Vereinigung. Gegründet wurde sie 1904 von George Ellery Hale, dem Pionier der modernen Sonnenforschung und nur sechs Jahre nach dem Treffen in Bonn ging aus der Solar Union die Internationale Astronomische Union (IAU) hervor. Die IAU-Vorgängerorganisation verstaltete aber längst keine reine Sonnentagung, diskutiert wurden Solarphysik, stellare Astrophysik und Arbeiten zur Spektroskopie, und wer Rang und Namen auf diesen Gebieten hatte, kam im Sommer 1913 nach Bonn: Edward C. Pickering, Annie Jump Cannon, Max Wolf, Hertzsprung, Russell, Eddington, Schwarzschild, Ludendorff, Plaskett, Strömgren usw. – nur der Gründer George Ellery Hale hatte keine Zeit.

Die Bonner Versammlung der Solar Union fand vom 30. Juli bis 05. August 1913 statt. Die Gastgeber waren der Physikprofessor Heinrich Kayser, Nachfolger von Heinrich Hertz, und der Astronomieprofessor Karl Friedrich Küstner von der Bonner Sternwarte in Poppelsdorf; als Tagungsort wurde das neue Physikalische Institut in der Nußallee ausgewählt. Die „Sonnentagung in Bonn“ fasste Dieter B. Herrmann 1994 so zusammen: „Die Atmosphäre auf der Tagung war ausgesprochen familiär. Die spezifischen Themen der Sonnenforschung, die in Berichten und Beschlüssen zum Ausdruck kamen, umfassten die Sonnenstrahlung (Solarkonstante), die Wellenlängennormale, Sonnenfinsternisse, die Bestimmung der Sonnenrotation aus den Radialgeschwindigkeiten des Randes u.a. Für die Astrophysik waren die Diskussionen zur Klassifikation der Sternspektren von bevorzugtem Interesse, die unter der Leitung von Pickering geführt wurden.“ So wurde hier die von Annie Jump Cannon entstandene Harvard-Klassifikation allgemein anerkannt. Neben dem offiziellen Tagungsprogramm gab’s auch ein umfangreiches Unterhaltungsangebot: Essen mit dem Bonner Oberbürgermeister am Ankunftstag, ein organisierter Überflug eines Zeppelins aus Köln, Bootstour auf dem Rhein, Autofahrt an die Mosel nach Cochem (für die „Damen und älteren Herren“) und Wanderung ins Siebengebirge (für die „wanderlustigen jüngeren Herren“) sowie eine Bahnfahrt nach Köln, wo es neben dem Dombesuch ein feierliches Bankett mit dem Kölner Oberbürgermeister im Gürzenich gab.

Am Freitagabend, 01. August, luden Direktor Küstner und seine Frau zur Sternwarte in Poppelsdorf ein, wo eine „stimmungsvolle Gartenparty“ stattfand und sich die Gäste wie auf „heiligem Boden“ vorkamen. „Das wunderschöne Gelände der Sternwarte war geschmackvoll dekoriert und die Gäste fühlten sich durch den Gastgeber und seine charmante Frau und Töchter ganz wie zu Hause.“ Vor dem Abendessen wurde natürlich noch das Sternwartengebäude mit den Instrumenten und sicher auch der nebenstehende Kuppelbau mit dem größten Teleskop Bonns besichtigt, aber natürlich fand Argelanders Bonner Durchmusterung das größte Interesse. Da ist es nicht schwer vorstellbar, dass bei dieser Besichtigung auch Edward C. Pickering der Satz über die Lippen kam: „This is the smallest telescope in the world, with which the greatest work has been accomplished!“ Mit dem kleinsten Fernrohr ist der Refraktor mit 77mm Öffnung gemeint, mit dem Argelander in 7 Jahren Beobachtungszeit die größte Arbeit vollendet hat. Man kann sich sogar vorstellen, wie sich Ejnar Hertzsprung und Henry Norris Russell bei einer Tasse Küstners Tee über Rote Riesen, Weiße Zwerge, Sternentwicklung und andere Einzelheiten ihrer Arbeiten diskutierten. Vielleicht sah Hertzsprung sogar Russells Entwurf eines Sterndiagramms.

Beide Sternforscher, nach denen das Hertzsprung-Russell-Diagramm benannt ist, begneten sich in Bonn zum ersten Mal. Wie es 1913 zur Entstehung des wichtigsten Diagramms der Astrophysik kam, kann man übrigens im aktuellen Heft 89 der Zeitschrift interstellarum nachlesen.

Tagungsberichte zum Treffen der Solar Union 1913 in Bonn:

[Nico Schmidt]