In Gedenken an Hilmar Duerbeck und Waltraut Seitter

„Zu den bedeutenden, aber eher dezent im Hintergrund wirkenden Astronomen in Deutschland gehörte Hilmar Duerbeck.“ So erinnerte letzte Woche noch der Deutschlandfunk an den außergewöhnlichen Astronomiehistoriker Hilmar W. Duerbeck (1948 – 2012), der plötzlich und unerwartet am 05. Januar 2012 in seinem Haus in der Eifel verstarb. Er wurde nur 63 Jahre alt. Etwas über ein Jahr nach seinem frühen Tod fand gestern in Bonn ein Gedenkkolloquium statt, das federführend Wolfgang Dick vom Arbeitskreis Astronomiegeschichte der Astronomischen Gesellschaft (AG) zusammen mit Christiaan Sterken und mit Michael Geffert als Gastgeber veranstaltete.

Dick, der viele Jahre mit ihm im AG-Arbeitskreis als Herausgeber zusammenarbeitete und nun die Geschichte des Astronomiegeschichtlers Duerbeck für einen Gedenkband aufarbeitet, gab einen Überblick über sein Leben und Wirken, es ging um die „großen Linien in Hilmar Duerbecks Leben“. Dabei staunt er selbst sogar über vorher unbekannte Dinge, über die Fülle seines geistigen Schaffens, und findet u.a. heraus, dass sein Kollege ursprünglich Dürbeck hieß und dann ab 1973 die internationale Schreibweise Duerbeck verwendete.

Die veränderlichen Sterne, besonders die Novae, waren die Lieblingsobjekte des Bonner Astronomen Duerbeck, doch schon kurz nach seiner Doktorarbeit über VV Ori, eingereicht im Jahr 1974, erstellte er eine Bibliografie der astronomischen Literatur der Uni Bonn. Im Laufe der Zeit wurde die Beschäftigung mit astronomiegeschichtlichen Themen immer intensiver, vor allem in seinen letzten 10, 20 Jahren. Über eine Arbeit zu Carl Wirtz, für die er sogar mit seiner Enkeltochter sprach, kam der Historiker schließlich mit der Geschichte der Kosmologie in Berührung. Durch eine viel beachtete Arbeit, „surely was a ground-breaking piece of historical research“, trat sogar der Kosmologe Georges Lemaître endlich aus Hubbles Schatten heraus.

Hilmar Duerbeck, war nicht nur national sondern auch international angesehen, was sich auch an zwei englischsprachigen Kolloquiumsbeiträgen zeigte. Zahlreiche Lehrtätigkeiten führten ihn ins Ausland, er betreute u.a. Disserationen an der James Cook University in Australien und wurde Mitglied in verschiedenen IAU-Komissionen, zuletzt seit ca. 2003 in der IAU Commission 41 für Astronomiegeschichte. Als Mitglied einer Venustransit-Arbeitsgruppe beschäftigte er sich hier intensiv mit der Historie von Venusdurchgängen.

Das Gedenken an den Menschen Hilmar W. Duerbeck wäre aber nicht vollständig, ohne gleichzeitig an seine Frau Waltraut C. Seitter (1930 – 2007) zu erinnern, mit der er seit 1975 verheiratet war und die nach langer Krankheit etwa vier Jahre vor ihm am 15. November 2007 verstarb, heute aber nicht einmal ein Grab besitzt. So ging es in dem Gedenkkolloquium nicht nur um die Blütezeit der Bonner Eifel-Sternwarte Observatorium Hoher List (OHL), sondern auch um die bewegte Geschichte der Astronomie in Münster, wohin sie 1975, im Jahr ihrer Hochzeit, als erste Astronomie-Professorin berufen wurde.

In Bonn hatte sie sich 1965 habilitiert und bereits mit dem zweibändigen „Bonner Spektralatlas“ – die zwischen 1963 und 1968 am Schmidt-Teleskop in der Eifel aufgenommenen Daten wurden um 1970 veröffentlicht – ein ehrgeiziges Projekt abgeschlossen. Und unter ihrer Leitung erlebte schließlich die Münsteraner Astronomie eine Blütezeit. Michael Nolte, dessen umfangreicher Vortrag zweigeteilt werden musste, konnte ausführlich aus erster Hand über diese Zeit berichten, wie in den 80er und 90er Jahren unter Waltraut Seitter erste Computer und zwei große sog. Mikrodensitometer in den siebten Stock zur Analyse von Fotoplatten angeschafft wurden und wie um 1990 in HTML die erste Instituts-Homepage auftauchte. Mit diesen PDS-Geräten gingen die Astronomen in Münster ein gewaltiges Kosmologie-Projekt – das Münster Redshift Project (MRSP) – an, bei dem 7 Millionen Galaxien vermessen wurden, um vor der Ära der Weltraumteleskope und Großteleskope etwas über die Verteilung von Galaxienhaufen zu erfahren.

Aber bei allen Zahlen und Fakten aus dem außergewöhnlichen Leben von Hilmar Duerbeck und seiner Frau Waltraut Seitter, erhielt man in den Vorträgen stets auch einen persönlichen Eindruck von den beiden Astronomen, die zwar in der Welt zuhause waren, aber immer in ihr Haus in Schalkenmehren zurückkehrten. Gewissermaßen waren sie Jahrzehnte lang sowas wie die Nachbarn des großen Eifel-Observatoriums, immerhin wohnten sie im letzten Haus in der Straße, die hoch zu den Teleskopkuppeln auf dem Hohen List führt – so sind sie doch immer Bonner Astronomen geblieben.

Enge Freunde, ehemalige Kollegen und Referenten erinnerten sich auf ihre eigene Art an das Ehepaar Duerbeck/Seitter. Andreas Hänel erinnerte sich an Kartoffelsalat mit Würstchen, an Weihnachtsfeiern mit Bowle dachte man, eine astronomische Sonifikation fiel jemandem ein, Christiaan Sterken (empfehlenswert sind seine Erinnerungen mit einem Goethe’schen Titel), Astronom in Brüssel, erzählte von Spaziergängen und lustigen Postkarten von Hilmar, man erfuhr wie schwer es die erste Astronomie-Professorin anfangs hatte und wie über einen Bierdeckel zwei kleine Asteroiden nach Hilmar Duerbeck und Gisela Münzel benannt wurden. Frau Münzel (*1929) – im Foto zusammen mit Duerbecks Patensohn -, die die letzten 12 Jahre mit Duerbeck zusammenlebte, war für das Gedenkkolloquium extra aus Leipzig angereist. Nachdem Michael Geffert mit einem Flügelhorn für einen musikalischen Abschluss sorgte, unterhielt ich mich noch etwas mit der 84-Jährigen. So erzählte sie mir u.a. noch, wie sie kurz nach dem Krieg von einem Trümmerberg aus mit dem geliehenen Schulfernrohr in die Sterne schaute und kurz danach mit dem Fernstudium der Astronomie in Jena begann.

Und spätestens wenn sie von ihrem Hilmar als einen „sehr aufmerksamen und gutwilligen Menschen“  spricht, wird klar, dass nicht nur die Freunde und Fachleute der Astronomiegeschichte einen unersetzbaren Menschen verloren haben. [Nico Schmidt]

Veröffentlicht am 10. März 2013 in Forscher der Region, Veranstaltungsbericht und mit , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.

  1. Oh mann – was bleibt von einem Beitrag hängen: Kartoffelsalat mit Würstchen!
    Nicht, dass es zur Blockvorlesung ein tolles Skript von Seitter-Duerbeck gab.
    Nicht, dass ein Beobachtungsbericht zur Nova Cyg 1975 der Bonner Volkssternwarte mit Spektren von Frau Seitter ergänzt werden konnte. Nicht, dass Hilmar Duerbeck zwei Typen von Novae gefunden hatte. Nicht, dass wir einen auch für Amateure spannenden Veränderlichen Stern, RZ Cas, spektroskopisch untersucht hatten. usw. – schade!

  2. Hans-Emil Schuster

    Habe in Chile ESO La Silla Hilmar oft und lange als begeisterten uBeobachter erlebt.Als visiting astronomer war Hilmar
    „pflegeleicht“. Ein Umstand der in seinem immer freundlichen und
    zurückhaltenden Wesen begründet. Nur Menschen die sich selber sicher
    sind und ihren Wert kennen ohne abzuheben ,können das.
    Als Directeur Gestionaire von ESO Chile habe ich andere „Klienten“
    erlebt , an die ich mich nur sehr ungern erinnere
    Nach 27 Jahren bei ESO Cile vom ersten Tag an (1.Oktober 1964) haben
    wir uns manchmal amüsiert über die Möglichkeit, dass nach meinem Tode,
    Hilmar als mein Biograf auftreten könnte. Trotz 15 Jahre Altersunter-
    schied kam es anders. Die Biografie war ein Scherz, aber Hilmar war
    mich nur ein netter Kollege und war mich auch ein guter Freund.
    Hans-Emil Schuster

  3. Franz-Josef Fischer

    war member of the MRSP und schrieb damals mitte der achtziger meine diplomarbeit unter frau seitter: ein atlas und positionskatalog nördlicher zwergnovae; werde die ausserordentlichen sitzungen im haus in schalkenmehren nicht vergessen, zu denen die studenten eingeladen waren, die beobachtungszeiten an der sternwarte hatten, die abende, die frau seitter sehr weltoffen, teilweise philosphisch thematisierend für uns bereit hielt, herr duerbeck war oft zugegen,… einen letzten gruss

  1. Pingback: Allgemeines Live-Blog ab dem 9. März 2013 | Skyweek Zwei Punkt Null

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