„Ein Abend mit dem Higgs-Teilchen“ – so muss Wissenschafts-Vermittlung sein!

Es war fast wieder so, wie es eine Woche zuvor und 700 km weiter südlich bei dem großen Higgs-Enthüllung gewesen war: der größte Hörsaal, überfüllt mit wissbegierigem Publikum, und vorne strahlende Teilchenphysiker, die vom Erfolg künden wollen. Nur war der Schauplatz heute Abend nicht ein Saal des CERN in Genf sondern der betagte Hörsaal 1 im Hauptgebäude der Uni Bonn, und gekommen war – von ein paar Physikern abgesehen – im Wesentlichen die Bonner Bevölkerung, die die Einladung zu der teilchenphysikalischen Veranstaltung „Ein Abend mit dem Higgs-Teilchen“ erreicht hatte, ein paar Kinder inklusive. Allein schon der Andrang strafte denjenigen Lügen, der allen Ernstes zu behaupten wagte, das Higgs ginge das Volk nichts an, und die fünf Bonner Physiker auf der Bühne gaben sich alle Mühe, die Erwartungen nicht zu enttäuschen.

Einer exzellenten Einführung in die Grundgedanken der modernen Physik folgte der konkrete Erfahrungbericht zweier Jungphysiker, die das noch hier und da verbreitete Bild „des Physikers“ als altem Mann mit wirrem grauem Haar nachhaltig korrigierten und einen Eindruck vermittelten, wie es in internationalen Riesen-Kollaborationen zu geht. Wobei hier natürlich fast immer nur der ATLAS-Detektor des LHC gemeint war, an dem Bonn in zentraler Funktion mit mischte; der Konkurrent CMS durfte immerhin mal am Rande mitspielen. Der dritte Vortrag der eine Stunde und 45 Minuten währenden und keine Minute langweilen Veranstaltung ging schließlich in die Details der konkreten Messungen des LHC (und v.a. von ATLAS), die das vermutliche Higgsteilchen durch seine Zerfallskaskaden dingfest gemacht hatten.

Mehrfach wurden an dem Abend die Leistung der 6 Theoretiker, die vor 48 Jahren das Higgs-Feld erdachten, und der LHC-Betreiber, die es nun nachgewiesen zu haben scheinen, als eine große Kulturleistung der Menschheit gewürdigt. Was in der Fragerunde danach auch allen einzuleuchten schien, bis auf einen, der wissen wollte, was das denn alle solle. Dem wurde dann beschieden, dass dies halt Grundlagenforschung sei und er Geduld haben solle: Bis zu einer Anwendung könne es da auch schon mal ein Jahrhundert dauern. Bis dahin wird es aber hoffentlich noch manche Veranstaltung wie an diesem Abend geben, denn – auch das machten die Referenten deutlich – der Higgs-Fang ist erst der Anfang einer großen Reise zu den Grundlagen des Universums. [Daniel Fischer. NACHTRÄGE: eine Webseite des Physikalischen Instituts zum und ein weiterer Bericht vom Abend – und ein erstes großes Fazit zum Stand der Higgsologie]

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Veröffentlicht am 11. Juli 2012 in Forscher der Region und mit , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 4 Kommentare.

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