„2001: A Space Odyssey“ – ganz neu erfahren mit Live-Musik und in Großprojektion!

 
 

Kann man einen Tonfilm mit Livemusik aufführen, noch dazu mit einem ausgewachsenen Orchester (der NDR Radiophilharmonie) und einem großen Chor (dem NDR Chor) und das Ganze in einer riesigen Konzerthalle (der Kölner Philharmonie)? Man kann – und wie: so geschehen gestern Abend mit dem legendären Science-Fiction-Epos „2001: Oydssee im Weltraum“, das Stanley Kubrik nach Missfallen am bestellten Score kurzerhand mit erlesener Klassik von der Schallplatte unterlegt hatte. Die kam nun zur Gänze zu einer HD-Videoprojektion (die auch ein kurzzeitiger Beamer-Ausfall nicht bremsen konnte, just als HAL 9000 endgültig durchdrehte – „I’m sorry, Dave, I’m afraid I can’t do that“) auf einer Riesenleinwand auf den Schnitt-Punkt und Sekundenbruchteil genau – wie hat Dirigent Frank Strobel das nur gemacht? – zur Aufführung, von den zwei Strauss/ßen über Ligeti bis zu Chatschaturjan. Das Ton-Konzept Kubriks half: Dialoge und Soundeffekte (der Weltraum ist wirklich lautlos) kommen nur sparsam zum Einsatz und fast nie zusammen mit der Filmmusik.

Längere Musikpausen führten mitunter zu unfreiwilliger Komik, etwas als sich die „Dawn of Mankind“-Affenmenschen ausgiebig auf der Leinwand amüsierten, während das befrackte Orchester darunter nur ungerührt zuschauen konnte, aber das Gesamt-Ton-Bild erwies sich als überraschend stimmig. Beim Abspann – verlängert um allerlei Danksagungen für die zweiten Noten-Sortierer o.ä. – konnte das Orchester noch einmal alles geben, was das Publikum im weitgehend ausverkauften Saal mit frenetischem Beifall belohnte (der sogar die U-Bahn übertönt hätte). Und obwohl es nur eine 2K-Videoprojektion war, brachte auch der Film im Großformat manch neue Erkenntnis über die herausragende Qualität der nun schon 45 Jahre alten Visual Effects wie auch kuriose Einfälle beim Set Design. Etwa den ellenlangen Text der Gebrauchsanweisung der Zero-G-Toilette – ob man den in der 70-mm-Version wohl entziffern kann? Einen unverhofften Bonus hatte es vor Beginn der Aufführung gegeben, als Strobel einen Gast vorstellte: keinen geringeren als Jan Harlan, seines Zeichens Schwager Kubriks und Ausführender Produzent von dessen Filmen seit 1975. Bei den endlosen Debatten Clarkes und Kubriks über das unerhörte „2001“-Projekt saß er immerhin schon mal am Tisch, und auch bei der Premiere war er dabei – als 200 Zuschauer noch vor dem Ende die Flucht ergriffen.

Gerettet hätten „2001“ erst „junge Männer zwischen 12 und 25“, so Harlan (unter dem Gelächter der anwesenden Damen), die bald in Scharen und auch mehrfach in den Film gingen. Und nach Kubriks Tod wurde Harlan gar in den Vatikan eingeladen, wo „2001“ in einer zu einem Kino umgebauten Kirche (da hätte man im Vatikan ja genug von) zur Aufführung kam: Am Ende gratulierte ein Kardinal und meinte, der Agnostiker Kubrik habe trotzdem „ins Schwarze getroffen“. Optisch übrigens nicht ganz ohne Vorbild: Gar manche der Raumfahrt-Szenen zu Beginn des 2. Teils von „2001“ („Tycho Magnetic Anomaly-1“) sind Visionen der letzten 10 Minuten der „Straße zu den Sternen“ von Pawel Kluschanzew aus dem Jahre 1957 in vielen Details nachempfunden. Dessen sowjetische Komplettfassung ist hier (unter einem Jux-Trailer für „2001“ in modernem Kino-Stil und dem Originaltrailer von 1968) zu bestaunen: eine Dokumentation zur Raumfahrtgeschichte, -technik und -zukunft mit Spielszenen, die ebenfalls verblüffend zeitlos geraten ist. Schon erstaunlich und auch traurig, dass die meisten Spiel- wie Dokumentarfilme heute nicht mal mehr das erreichen, was Pioniere des Kinos schon vor einem halben Jahrhundert auf die Leinwand brachten … [Daniel Fischer]

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Astrojournalismus seit 1982

Veröffentlicht am 13. Januar 2013 in Astronomie & Musik, Neu im Netz, Veranstaltungsbericht und mit , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 8 Kommentare.

  1. 1. Der Schlussapplaus ging noch ziemlich lang.
    2. Ich habe mich nach der Vorstellung über die Vorführtechnik informiert. Es kam professionelles Digitalkino-Equipment zum Einsatz. Gespielt wurde ein 2K-DCP, dass eine Sonderanfertigung war (der Soundtrack fehlte entsprechend, weil er ja live gespielt wurde).
    Insofern sind Bezeichungen wie FullHD und Video-Beamer hier irreführend, weil aus dem nichtprofessionellen Bereich stammend.
    Dass die Bildqualität recht unbefriedigend war, lag wohl daran, dass das digitale Master von einer 35mm-Kopie erstellt wurde, nach meinem subjektiven Eindruck mit deutlich niedrigerer Auflösung, erinnerte mich stellenweise an ein Digitbeta-Band.
    Trotzdem ein toller Abend. A classic.

  2. Äh, Full-HD ist doch 2K (1920 Pixel horizontal)? Jedenfalls habe ich die K-Zahl doch tatsächlich korrekt aus meinem Eindruck erraten, im Sinne von besser als VHS, schlechter als iSens. 🙂 Dabei fand ich die Bildauflösung aus Block C gesehen sehr gut, habe jedenfalls manches wahrgenommen, was mir im TV noch nie aufgefallen war. (Klebt auf dem allerersten Raumschiff etwa eine schwarzrotgoldene Flagge? Da hätte ich gerne mal zurück gespult.) Jetzt würde ich zu gerne „2001“ mal in 70-mm-Kopie sehen, aber wo gibt’s so was überhaupt noch – und einen geeigneten Projektor …?

  3. Nein, Full HD ist ein Videoformat und DCI 2K ist ein Kinoformat. Dazwischen liegen Welten. In Cinemascope liegt die Auflösung in der Breite bei 2048 Pixel. Entscheidender ist aber, dass Farbauflösung und Farbtiefe bei Full HD reduziert sind und ein anderer Codec verwendet wird. (http://en.wikipedia.org/wiki/Digital_cinema)
    Nur leider, das war mein Eindruck, war das Quellmaterial scheinbar kein 2K-Material, sondern sah mehr wie eine DVD oder ein Digitbeta aus. Jedenfalls waren die Farben und Kontrast sehr enttäuschend. Ich habe vor einigen Jahren mal die restaurierte 35mm-Fassung vorgeführt und habe den Film deutlich brillianter in Erinnerung.
    Schön wäre es gewesen, hätte man ein 4K-DCP gehabt, denn „2001“ ist immerhin auf 65mm-Material gedreht worden.

  4. Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück, den Film in London auf 70mm zu sehen – absolut atemberaubend! Ich fürchte allerdings, es ist so gut wie unmöglich, in Deutschland eine entsprechende Vorführung zu finden…
    In jedem Fall ärgert mich, dass ich das Konzert in Köln verpasst habe, scheint ja ein Erlebnis gewesen zu sein!

  5. „Gerettet hätten “2001″ erst “junge Männer zwischen 12 und 25″, so Harlan (unter dem Gelächter der anwesenden Damen), die bald in Scharen und auch mehrfach in den Film gingen.“

    Davon kann ich mich nicht ganz freisprechen. Ich habe ihn damals allein während Schule / Studium in Köln in der Lupe 14 mal angeschaut….. und auf DVD steht er heute (zusammen mit dem schwächeren 2010) im Regal.

    Für mich immer noch ein genialer Film!

  1. Pingback: Weitere größere Artikel « Skyweek Zwei Punkt Null

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